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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Er ist gerüstet. He did Canberra. And he survived.
    An der ersten Straßenkreuzung sehe ich einen abgerissenen Typen, der mit einem Gummischaber bereitsteht, um die vorbeikommenden Windschutzscheiben zu reinigen. Wenn die Fahrer es zulassen, denn Säubern kostet. Der Fensterputzer gehört hierher. Auf abwegige Weise passt seine Armseligkeit zu dem hässlichen Protz. Ich checke in einem Hotel ein, das ohne Weiteres über Nacht in eine Schuhschachtelfabrik umfunktioniert werden könnte. Es liegt an der Mort Street und mort ist das französische Wort für Tod. Die Assoziation ist zwingend. Wer aus der Schuhschachtel tritt, altert mit jedem Schritt. Dass es nur wenige Hotels hier gibt, auch das leuchtet ein. Die Sehnsucht der Weltbevölkerung, hier aufzukreuzen, hält sich in Grenzen.
    Ich bin im Civic, so nennen sie hier Downtown-Canberra, das Zentrum. Civic heißt u. a. städtisch . Aber hier ist keine Stadt, nur eine Plaza neben der anderen, umzingelt von Betonkisten, bevölkert von ein paar Verirrten, die gerade fluchtartig davoneilen. Als wollten sie Schutz suchen vor so viel Gräulichkeit, so viel Verlassenheit. Es ist Samstagnachmittag und ein paar anderen Verwegenen und mir allein gehört die australische Hauptstadt. Dass ich schon auf den ersten hundert Metern an einem Birkenstock-Laden vorbeikomme, ist ein Zeichen des Teufels. Er will beweisen, dass ich mich nicht täusche. So griesgrämig bleich wie das Schuhwerk aus dem »Traditionshaus« sieht es hier aus. Wer sich das ausgestellte Modell Arizona überzieht, ist für jeden Bußgang gerüstet.
    In Afrika habe ich erfahren, dass die Standorte deutscher Botschaften in zwölf Zonen eingeteilt sind. Je anstrengender eine Hauptstadt ist, desto höher die Zahl und desto höher die Zuschläge. Um den Herausforderungen besser standzuhalten. Paris liegt wohl in Zone 1 und Bamako in Mali in Zone 12. Wo liegt Canberra? Wer hierher verbannt wird, verdient jedes Recht auf Unterstützung.
    Das ist der Unterschied. Schlechte Bücher kann man auf den Müll werfen und vergessen. Schlechte, schlecht aussehende Städte nicht. Sie passen auf keinen Schrottplatz, eine halbe Ewigkeit werden sie uns jetzt daran erinnern, was an Warzenhässlichkeit machbar ist. Dazu kommt, ganz automatisch, die Trägheit einer solchen Stadt. Über 350 000 Leute leben hier und nur jeden Tausendsten trifft man im Freien. Wie verständlich, wer will schon in einem Betonloch tollen. Architektur als Kriegserklärung. Selbst der (Noch)Premierminister erklärte zu Beginn seiner Amtszeit, er werde diesen Ort nicht bewohnen, nur beizeiten von Sydney hierherjetten. Das will was heißen, immerhin gilt John Howard als »the most boring fart in the country«, als langweiligster Furz auf dem Kontinent.
    Nun denn, wie kam es zu dem Unglück? 1891 trafen sich die Vertreter der sechs Kolonien – die heutigen sechs states -, um die Steuergesetze, die Postgebühren und die Uhrzeiten zu vereinheitlichen, kurz, eine Nation zu formen. Am 1. Januar 1901 wurde der Commonwealth of Australia ausgerufen, der Staat Australien. Die Suche nach einer Hauptstadt dauerte länger, 1908 war es so weit, man fand einen Namen – ursprünglich die Bezeichnung der lokalen Aborigines für »Treffpunkt« – und fand einen Standort. Irgendwo im Busch, irgendwo zwischen Melbourne und Sydney, den beiden Erzrivalen. Dann wurde ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben, den der amerikanische Architekt Walter Burley Griffin gewann. Und eine der größeren Schandtaten in der Geschichte der Menschheit nahm ihren Lauf.
    Griffin kam 1913 zum ersten Mal hier an, in Begleitung seiner Frau Marion, ebenfalls Architektin, sprich, sie hatten ohne jeden lokalen Augenschein geplant und entworfen. Zudem geriet ab sofort das Timing durcheinander, schlechte Zeiten für Schönheit brachen aus. In Europa ging der Erste Weltkrieg los, Gelder wurden abgezogen, Kompetenzhändel vergifteten die Zusammenarbeit zwischen dem Ehepaar und den Finanziers, Intrigen schwirrten, 1920 stand noch immer keine Stadt, nur ein paar flüchtig abgesteckte Hauptstraßen. Die Griffins und ihre Arbeitgeber trennten sich, »im gegenseitigen Einverständnis«, hieß es. Nun holten die Männer mit den Ärmelschonern aus, die Schmallippigen, die auch ohne Schönheit über die Runden kommen. Aus den einfallslosen Reißbrett-Ideen der Amerikaner

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