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Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Farm
weniger schwer gefallen. Der kleine Ruben beschäftigte sie
anfänglich rund um die Uhr, und sie war nach wie vor entzückt
von jeder seiner Lebensregungen. Dabei erwies das Kind sich nicht als
schwierig. Schon mit vier Monaten schlief es meistens durch –
zumindest, wenn es im Bett seiner Mutter bleiben durfte. Howard
gefiel das gar nicht; er hätte gern wieder seine nächtlichen
»Vergnügungen« mit Helen aufgenommen. Doch sobald er
sich ihr näherte, schrie Ruben laut und anhaltend. Helen zerriss
es beinahe das Herz, doch sie war gehorsam genug, trotzdem still zu
liegen und zu warten, bis Howard fertig war. Erst dann kümmerte
sie sich um das Baby. Doch Howard gefielen weder die Tonuntermalung
noch Helens offensichtliche Anspannung und Ungeduld. Meist zog er
sich zurück, wenn Ruben losweinte, und wenn er spät abends
nach Hause kam und das Baby in Helens Armen sah, schlief er gleich im
Stall. Helen hatte deshalb ein schlechtes Gewissen, war Ruben aber
dennoch dankbar.
    Tagsüber schrie das Kind fast nie, sondern lag meist brav in
seinem Körbchen, während Helen die Maori-Kinder
unterrichtete. Wenn es nicht gerade schlief, schaute es so ernst und
aufmerksam auf die Lehrerin, als verstehe es bereits, um was es ging.
    Â»Er wird mal Professor«, sagte Gwyneira lachend. »Der
kommt ganz auf dich, Helen!«
    Zumindest äußerlich lag sie da nicht ganz falsch.
Rubens anfänglich blaue Augen wurden mit der Zeit grau wie
Helens, und sein Haar schien dunkel zu werden wie Howards, jedoch
glatt und nicht lockig.
    Â»Er kommt nach meinem Vater!«, bestimmte Helen. »Nach
dem ist er ja auch benannt.Aber Howard ist fest entschlossen, dass er
Farmer wird, auf gar keinen Fall Reverend.«
    Gwyneira kicherte. »Da haben sich schon andere geirrt. Denk
nur an Mr. Gerald und meinen Lucas.«
    Gwyn fiel diese Unterhaltung wieder ein, während sie in
Haldon Einladungen verteilte. Genau genommen war das Neujahrsfest
nicht Geralds Idee gewesen, sondern Lucas’ – allerdings
geboren aus der Absicht, Gerald zu beschäftigen und zufrieden zu
stellen. Der Haussegen hing nämlich spürbar schief auf
Kiward Station, und mit jedem Monat, in dem Gwyn nicht schwanger
wurde, schien es schlimmer zu werden. Gerald reagierte nun offen
aggressiv auf den Mangel an Nachwuchs, auch wenn er natürlich
nicht wusste, wen der beiden Eheleute er dafür verantwortlich
machen sollte. Nun verhielt Gwyneira sich meist zurückhaltend,
hatte ihre Pflichten im Haus inzwischen halbwegs im Griff und bot
Gerald insofern nicht viel Angriffsfläche. Dazu hatte sie ein
feines Gefühl für seine Stimmungen.Wenn er schon morgens
die frisch gebackenen Muffins bekrittelte – und sie mit einem
Whiskey statt mit Tee hinunterspülte, was immer häufiger
geschah –, verschwand sie gleich in den Ställen und
verbrachte den Tag lieber mit den Hunden und Schafen, statt
Blitzableiter für Geralds schlechte Laune zuspielen. Lucas
dagegen traf der Zorn seines Vaters voll und fast immer unerwartet.
Nach wie vor lebte der junge Mann in seiner eigenen Welt, doch Gerald
riss ihn immer rücksichtsloser aus dieser Welt heraus und trieb
ihn an, sich auf der Farm nützlich zu machen. Das ging so weit,
dass er einmal ein Buch zerriss, mit dem er Lucas in seinem Zimmer
vorfand, obwohl er die Schafschur hätte beaufsichtigen sollen.
    Â»Du brauchst doch bloß zu zählen, verdammt noch
mal!«, tobte Gerald. »Die Scherer rechnen sonst falsch
ab! In Schuppen drei haben sich eben zwei von den Kerlen geprügelt,
weil beide Anspruch auf den Lohn für die Schur von hundert
Schafen anmelden, und keiner kann schlichten, weil niemand die Zahlen
verglichen hat! Für Schuppen drei warst du eingeteilt, Lucas!
Jetzt sieh zu, wie du das geregelt bekommst!«
    Gwyneira hätte Schuppen drei gern übernommen, doch ihr
als Hausfrau oblag die Verpflegung, nicht die Aufsicht über die
Wanderarbeiter, die zur Schafschur angeheuert wurden. Deshalb war die
Versorgung der Männer ausgezeichnet: Gwyneira erschien immer
wieder mit Erfrischungen, weil sie sich an der Arbeit der Scherer
nicht satt sehen konnte. Zu Hause auf Silkham war Schafschur eine
ziemlich gemächliche Angelegenheit gewesen; die paar hundert
Schafe wurden von den Schäfern selbst in wenigen Tagen
geschoren. Hier allerdings galt es, Tausende von Schafen zu scheren,
die von weitläufigen Weiden geholt und

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