Im Land der weissen Rose
Lucas wieder einmal stecke.
Gwyneira tat, als habe sie es nicht verstanden. Sie hatte
inzwischen recht genaue Vorstellungen davon, was das Wort
»Schlappschwanz«, bedeutete, konnte sich allerdings nicht
erklären, woraus die Männer im Stall auf Lucas’
Versagen im Bett schlossen.
Am Tag des Festes erstrahlte der Garten von Kiward Station in
vollem Glanz. Lucas hatte Lampions kommen lassen, und die Maoris
stellten Fackeln auf. Beim Empfang der Gäste reichte das Licht
allerdings noch, um die Rosenrabatten, sauber geschnittenen Hecken
und die verschlungenen, nach dem Vorbild klassischer englischer
Gartenbaukunst angelegten Wege und Rasenstücke bewundern zu
können. Gerald hatte auch einen neuerlichen Hundetrial angesetzt
– diesmal nicht nur,um mit dem sagenhaften Können der
Tiere anzugeben, sondern auch als eine Art Werbeveranstaltung. Die
ersten Nachkommen von Daimon und Dancer standen zum Verkauf, und die
Schafzüchter der Gegend zahlten Höchstpreise für
reinrassige Border Collies.Selbst die Mischlinge mit Geralds alten
Sheepdogs waren heiß begehrt. Geralds Leute brauchten jetzt
auch keine Hilfe mehr von Seiten Gwyneiras und Cleos, um eine
perfekte Show zu bieten. Die jungen Hunde trieben die Schafe auf
McKenzies Pfiffe hin reibungslos durch den Parcours. Gwyneiras
elegantes Festkleid, ein Traum aus himmelblauer Seide mit
Applikationen in goldfarbener Lochstickerei, blieb deshalb sauber,
und auch Cleo verfolgte das Geschehen nur vom Rand des Platzes aus,
wobei sie beleidigt fiepte. Ihre Welpen waren endlich abgesetzt, und
die kleine Hündin sehnte sich nach neuen Aufgaben. Heute wurde
sie allerdings wieder in die Ställe verbannt. Auf seinem Fest
wollte Lucas keine herumtollenden Hunde, und Gwyneira war mit der
Betreuung der Gäste voll beschäftigt. Doch ihr Flanieren
durch die Menge und die freundlichen Gespräche mit den Damen aus
Christchurch glichen mehr und mehr einem Spießrutenlauf. Sie
fühlte, dass man sie beobachtete und dass die Gäste mit
einer Mischung aus Neugier und Mitgefühl auf ihre immer noch
schlanke Taille blickten. Am Anfang fiel nur gelegentlich eine
Bemerkung; dann aber sprachen die Herren – allen voran Gerald –
dem Whiskey immer fleißiger zu, und ihre Zunge lockerte sich.
»Na, Lady Gwyneira, nun sind Sie doch schon ein Jahr
verheiratet!«, tönte Lord Barrington. »Wie sieht’s
mit Nachwuchs aus?«
Gwyneira wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie
errötete ebenso tief wie der junge Viscount, dem das Verhalten
seines Vaters peinlich war. Er versuchte denn auch gleich das Thema
zu wechseln und fragte Gwyneira nach Igraine und Madoc, an den er
sich immer noch gern erinnerte. Bislang hatte er hier in der neuen
Heimat kein vergleichbares Pferd gefunden. Gwyn lebte sofort auf. Bei
den Pferden war die Zucht schließlich erfolgreich verlaufen,
und dem jungen Barrington hätte sie gern ein Fohlen verkauft. So
ergriff sie die Gelegenheit, Lord Barrington zu entkommen, indem sie
den Viscount zu den Weiden führte. Igraine hatte vor einem Monat
einem bildschönen schwarzen Hengstfohlen das Leben geschenkt,
und natürlich hatte Gerald auch die Pferde so hausnah
untergebracht, dass die Gäste sie bewundern konnten.
Neben dem Paddock, auf dem die Stuten und Fohlen grasten,
überwachte McKenzie gerade die Festvorbereitungen für das
Personal. Die Angestellten von Kiward Station hatten jetzt noch zu
tun, aber wenn das Essen vorbei und der Tanz eröffnet war,
konnten auch sie sich amüsieren. Gerald hatte bereitwillig zwei
Schafe und reichlich Bier und Whiskey für ihr Fest zur Verfügung
gestellt, und nun wurden auch hier die Feuer entzündet, um das
Fleisch zu garen.
McKenzie grüßte Gwyn und den Viscount, und Gwyneira
nutzte die Gelegenheit, ihm zu dem erfolgreichen Trial zu
gratulieren.
»Ich glaube, Mr. Gerald hat heute schon fünf Hunde
verkauft«, meinte sie anerkennend.
McKenzie erwiderte ihr Lächeln. »Dennoch nicht zu
vergleichen mit der Show von Ihrer Cleo, Miss Gwyn. Aber mir fehlt
natürlich auch der Charme der Hundeführerin ...«
Gwyn wandte den Blick ab. Er hatte schon wieder dieses Glitzern in
den Augen, das ihr einerseits gefiel, sie andererseits aber
verunsicherte. Und wieso machte er ihr hier Komplimente vor dem
Viscount? Sie hegte die Befürchtung, dass dies nicht sehr
schicklich war.
»Versuchen Sie doch, beim
Weitere Kostenlose Bücher