Im Land der weissen Rose
wenn es ihm gelänge,
das Geld für eine Nacht mit ihr zusammenzusparen. Für
Daphne war er nicht mehr als ein Kind, schützenswert wie die
Zwillingsmädchen, für die sie sorgte,und ganz sicher kein
Kunde.
Eigentlich wollte der Junge das auch gar nicht sein. Er sah Daphne
nicht als Hure, sondern alsgeachtete Ehefrau an seiner Seite. Eines
Tages würde er viel Geld verdienen, Jolanda die Rechte an dem
Mädchen abkaufen und Daphne davon überzeugen, dass sie ein
ehrbares Leben verdiente. Die Zwillinge konnte sie gern mitbringen –
in seinen Träumen konnte David auch ihren Unterhalt mühelos
finanzieren.
Doch wenn das alles irgendwann wahr werden sollte, brauchte David
Geld, viel Geld, und zwar schnell. Es schnitt ihm ins Herz, wenn er
Daphne im Pub servieren und dann mit irgendeinem Mann nach oben in
den ersten Stock verschwinden sah. Ewig würde sie das nicht tun,
ewig würde sie vor allem nicht hier bleiben. Daphne schimpfte
über das Joch, unter dem sie bei Jolanda stand. Über kurz
oder lang würde sie verschwinden und irgendwo einen neuen Anfang
wagen.
Es sei denn, David kam ihr mit einem Antrag zuvor.
Nun war dem Jungen natürlich klar, dass er das nötige
Geld auf keinen Fall als Bauarbeiter oder auch als Kunsttischler
verdienen konnte. Er musste schneller zu Vermögen kommen, und
wie es der Zufall wollte, taten sich dazu gerade jetzt und gerade in
dieser Region der Südinsel neue Möglichkeiten auf. Ganz in
der Nähe von Westport, einige Meilen flussaufwärts am
Buller River, hatte man Gold gefunden. Immer mehr Goldgräber
überschwemmten die Stadt, deckten sich mit Proviant, Spaten und
Goldpfannen ein und verschwanden dann im Dschungel oder in den
Bergen. Zunächst nahm sie niemand allzu ernst, doch als die
ersten zurückkamen, mit stolzgeschwellter Brust und einem
kleinen Vermögen an Goldnuggets in Leinenbeuteln an ihren
Gürteln, erfasste das Goldfieber auch die eingesessenen Coaster
rund um Westport.
»Warum versuchen wir es nicht auch, Luke?«, fragte
David eines Tages, als sie am Flussufer saßen und wieder ein
Trupp Goldsucher in Kanus an ihnen vorbeipaddelten.
Lucas erklärte dem Jungen eben eine spezielle Zeichentechnik
und sah überrascht auf. »Was sollen wir versuchen? Nach
Gold schürfen? Mach dich nicht lächerlich, Dave, das ist
nichts für uns.«
»Aber warum nicht?« Der begehrliche Blick in Davids
Kulleraugen ließ Lucas’ Herz höher schlagen. Da war
noch nichts von der Gier der gewieften Goldwäscher, die oft
schon andere Stationen durchlaufen hatten, bevor die Nachricht von
den neuen Funden sie nach Westport trieb. Da war kein Nachhall alter
Enttäuschungen, endloser Winter in primitiven Camps, glutheißer
Sommer, in denen man grub, Bäche umleitete, unendliche Mengen
Sand durchs Sieb rieseln sah und hoffte, hoffte, hoffte – bis
dann doch wieder andere die fingerbreiten Nuggets in den Flüssen
fanden oder die ergiebigen Goldadern im Gestein. Nein, David blickte
eher wie ein Kind beim Spielzeugmacher. Er sah sich schon im Besitz
der neuen Schätze – wenn ihm nur der kaufunwillige Vater
keinen Strich durch die Rechnung machte. Lucas seufzte. Er hätte
dem Jungen den Wunsch zu gern erfüllt, sah aber keine Aussichten
auf Erfolg.
»Davey, wir verstehen nichts vom Goldschürfen«,
sagte er freundlich. »Wir wüssten ja nicht mal, wo wir
suchen sollten.Außerdem bin ich kein Trapper und Abenteurer.
Wie sollen wir uns da draußen durchschlagen?«
Wenn Lucas ehrlich war, hatten ihm schon die Stunden im Dschungel
gereicht, als er von der Pretty Peg geflohen war. So sehr ihn die
ausgefallene Pflanzenwelt der Gegend faszinierte, so nervös
machte ihn der Gedanke, sich dort womöglich zu verlaufen. Dabei
hatte er damals noch den Fluss als Orientierungshilfe gehabt. Bei
einem erneuten Abenteuer würden sie sich weiter davon entfernen
müssen. Gut, vielleicht konnte man einem Bach folgen, doch
Davids Vorstellung, das Gold würde einem dann nur so
entgegenströmen, teilte Lucas nicht.
»Bitte, Luke, wir können es wenigstens versuchen! Wir
müssen ja hier nicht gleich alles aufgeben.Aber gib uns ein
Wochenende!Mr. Miller leiht mir bestimmt ein Pferd. Dann reiten wir
am Freitagabend flussaufwärts, schauen uns samstags da oben um
...«
»Wo soll denn ›da oben‹ sein, Davey?«,
fragte Lucas sanft. »Hast du da
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