Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
allerdings
weniger die marmornen Knaben interessierten als Lucas’
Zeichenkunst als solche.
    Â»Ich versuche immer, Häuser zu zeichnen«,
vertraute er dem älteren Freund an. »Aber irgendwie sieht
es nicht richtig aus.«
    Lucas ging das Herz auf, während er Dave erklärte, wo
das Problem lag, und ihn dann in die Kunst des perspektivischen
Zeichnens einführte. David lernte schnell. Von da an verbrachten
sie jede freie Minute mit dem Unterricht.Als der Baumeister sie
einmal dabei beobachtete, zog er Lucas umgehend vom Holzfällertrupp
ab und setzte ihn in der Konstruktion ein. Bislang hatte Lucas nicht
viel von Statik und Baukunst gewusst – nur die Grundbegriffe,
die jeder wahre Kunstliebhaber zwangsläufig erwirbt, wenn er
sich für römische Kirchen und florentinische Paläste
interessiert. Das allein aber war schon erheblich mehr, als die
meisten Leute am Bau wussten; zudem war Lucas ein begabter
Mathematiker. Sehr bald machte er sich nützlich, indem er
Bauzeichnungen entwarf und die Anweisungen für die Sägemühle
sehr viel präziser formulierte, als die Bauhandwerker es bisher
getan hatten.Zwar war er auch im Umgang mit Holz nicht der
Geschickteste, aber David bewies viel Talent dafür und versuchte
sich bald am Tischlern von Möbeln nach Lucas’ Plänen.
Die künftigen Bewohner des neuen Hauses – der Fellhändler
und seine Gattin – konnten sich vor Begeisterung kaum fassen,
als die beiden ihnen die ersten Stücke präsentierten.
    Natürlich dachte Lucas bei all dem oft daran, seinem jungen
Schüler und Freund auch körperlich näher zu kommen. Er
träumtevon innigen Umarmungen und erwachte dann mit einer
Erektion oder, schlimmer noch, zwischen feuchten Decken.Aber er hielt
sich eisern zurück. Im alten Griechenland war eine
Liebesbeziehung zwischen Mentor und Knaben durchaus normal gewesen;
im modernen Westport würde man beide dafür verdammen. Dabei
näherte sich David seinem Freund ganz unbefangen. Wenn er
manchmal, nach dem Schwimmen, nackt neben ihm lag, um sich von der
spärlichen Sonne trocknen zu lassen, streifte ihn oft ein Arm
oder ein Bein, und als es nach dem Winter wärmer wurde und auch
Lucas gern im Wasser planschte, ermunterte ihn der Junge zu wilden
Ringkämpfen. Er dachte sich nichts dabei, ihn dabei mit den
Beinen zu umklammern oder seinen Oberkörper an Lucas’
Rücken zu pressen. Lucas war dann dankbar dafür, dass der
Buller River auch im Sommer kalt war und seine Erektion sich
infolgedessen nie lange hielt. Das Bett mit David zu teilen wäre
die Erfüllung gewesen, doch Lucas wusste, dass er nicht zu
gierig sein durfte. Was er jetzt erlebte, war schon mehr, als er
jemals erhofft hatte. Sich mehr zu wünschen wäre vermessen
gewesen. Lucas wusste auch, dass sein Glück nicht ewig anhalten
konnte. Irgendwann wäre David erwachsen, würde sich
vielleicht in ein Mädchen verlieben und ihn dann vergessen. Doch
bis dahin, hoffte Lucas, würde der Junge genug gelernt haben, um
als Kunsttischler finanziell gesichert durchs Leben zu kommen. Was er
dazu tun konnte, würde er tun. Er versuchte, dem Knaben auch die
Grundbegriffe von Mathematik und Rechnungswesen nahe zu bringen, um
nicht nur einen guten Handwerker, sondern auch einen gewieften
Kaufmann zu schulen. Lucas liebte David selbstlos, hingebungsvoll und
zärtlich. Er freute sich an jedem Tag mit ihm und versuchte,
nicht an das unvermeidliche Ende zu denken. David war so jung! Es
sollten noch Jahre der Gemeinschaft vor ihnen liegen.
    David – oder Steinbjörn, wie er selbst noch von sich
dachte – teilte Lucas’ Selbstgenügsamkeit jedoch
nicht. Der Junge war klug, fleißig und hungrig nach Erfolg und
nach Leben. Vor allem aber war er verliebt, ein Geheimnis, das er
niemandem je verraten hätte, nicht einmal Lucas, seinem
väterlichen Freund. Steinbjörns Liebe war auch der Grund,
weshalb er so bereitwillig den neuen Namen angenommen hatte und warum
er jetzt jede freie Minute nutzte, sich irgendwie durch David
Copperfield zu quälen. Darüber konnte er schließlich
mit Daphne reden – ganz selbstverständlich und unschuldig,
und niemand würde auch nur ahnen, wie sehr er sich nach dem
Mädchen verzehrte. Natürlich wusste er, dass er niemals
eine Chance bei ihr haben würde. Wahrscheinlich würde sie
ihn nicht einmal mit in ihr Zimmer nehmen,

Weitere Kostenlose Bücher