Im Land des Eukalyptusbaums Roman
richtig neugierig.
Nolas Miene verdüsterte sich. »Leith ist Lord Rodwells Sohn aus erster Ehe. Als die Klatschpresse mich so richtig auf den Kieker nahm, hat er mich besucht und mir seine Unterstützung angeboten. Offenbar kannte er den wahren Charakter seines Vaters. Aber er wollte seine Halbschwestern nicht verletzen, genau wie ich. Er bewunderte die Courage, mit der ich mich gegen seinen Vater zur Wehr setzte. Wahrscheinlich hatte er das selbst schon versucht und war damit gescheitert. Trotzdem war ich froh über seinen Zuspruch.« Seufzend wandte sie sich wieder dem Fenster zu, hinter dem die ersten Tropfen eines Regenschauers fielen. Tilden spürte, daß zwischen ihr und dem jungen Rodwell mehr gewesen war.
»War seine Anteilnahme nicht auch – persönlicher Art?« erkundigte sich Tilden sanft.
»In der Tat!«
Tilden spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug.
Plötzlich lächelte Nola wieder. »Wie Sie schon sagten, er ist ein gutaussehender junger Mann, Mr. Shelby, und ich bin eine Frau ... die auch ihre Bedürfnisse hat.« Tatsächlich hatte Nola und Leith monatelang eine heftige Liebesbeziehung verbunden. Die bloße Erinnerung an ihre heimlichen Treffen reichte aus, um ihr das Blut in die Wangen zu treiben.
Tilden öffnete erstaunt den Mund, als er Nola erröten sah, aber er schloß ihn wieder, bevor sie es merkte.
»Wir standen uns ... eine Zeitlang sehr nahe«, gestand sie schüchtern. »Ich glaubte sogar ...« Sie räusperte sich und reckte die Schultern. »Ob er es wirklich so ernst meint, ist nicht ganz sicher, obwohl er alles unternimmt, um es mir zu beweisen. Ich glaube, daß Leiths vorgeblicher Eifer auch daher rührten könnte, daß er seinem Vater weh tun oder seine Aufmerksamkeit erregen will. Dafür gäbe es kein besseres Mittel. Ich bin ja bloß Gouvernante und gehöre zum niederen Pöbel – doch sein Vater könnte wohl eher hinnehmen, daß er eine Dirne aus dem East End ehelicht als mich, die Frau, die ihn öffentlich gedemütigt hat!«
»Aber Miss Grayson, denken Sie denn gar nicht an die Gefühle, die Lord Rodwell junior für Sie hegt? Außerdem könnten Sie in Wohlstand leben, eine höhere gesellschaftliche Stellung einnehmen und den Respekt der einflußreichsten Persönlichkeiten Londons genießen. Kurz und gut: Sie hätten eine Welt zu gewinnen!«
Nola schob die Unterlippe vor und lächelte nachdenklich. Tilden musterte sie, während ihre Gedanken in die Vergangenheit zurückschweiften und ein schmerzlicher Ausdruck in ihre Augen trat.
Sie hatte zunächst von ganzem Herzen geglaubt, daß Rodwell sie liebte. Immer wieder hatte er Bilder von Heirat, Kindern und einem langen, glücklichen Zusammenleben beschworen. Ihre Beziehung verlief sehr ungestüm, mit ihm hatte Nola die aufregendsten Tage ihres Lebens verbracht. Doch dann, von einem Moment auf den anderen, traf es sie wie ein Schlag. Es folgte die unvermeidliche Auseinandersetzung zwischen Leith und seinem Vater. Beide Männer ahnten nicht, daß Nola sie belauschte. Was sie hörte, war niederschmetternd: Leith hatte sie lediglich benutzt, um seinen Vater zu kränken. Ihre Affäre hatte sie nur einem Vorwand zu verdanken! Sie fühlte sich verraten, schamlos betrogen. Als sie Leith später zur Rede stellte, erklärte er alles für ein Mißverständnis. Wieder und wieder behauptete er, sie zu lieben, flehte um die Fortdauer ihrer Gunst. Aber sie konnte weder vergessen was sie gehört hatte, noch den Ton, mit dem Leith seinen Vater angriff. Er hatte geklungen wie ein Fremder, ein abgebrühter, ruchloser, unpersönlicher Feind.
»Es mag Ihnen allzu romantisch erscheinen, Mr. Shelby, aber wenn ich heirate, soll es aus dem einzig richtigen Grund geschehen: aus Liebe. In meinen Augen kann sich keine noch so hohe gesellschaftliche Stellung, kein Adelstitel, kein Wohlstand der Welt mit dem wahren Glück der Liebe messen. Diese Tatsache kann ein Leith Rodwell in seinem schalen Dünkel nicht akzeptieren. Er hatte nichts anderes im Sinn, als seinen Vater zum Narren zu halten. Jetzt aber hat sich das Blatt gewendet; eine Frau aus dem einfachen Volk hat ihm einen Korb gegeben, und vor seinen feinen Freunden wird er dadurch zum Gespött.«
»Aber warum bedrängt er Sie noch immer?«
»Vermutlich will er bloß wieder anbandeln, damit er mich in aller Öffentlichkeit kompromittieren kann. Schon, um seine Ehre wiederherzustellen ...«
»Das kann nicht stimmen. Nach allem, was ich gesehen habe, war er ernstlich bekümmert, als Sie ihn
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