Im Land des Eukalyptusbaums Roman
mochte sie herkommen, fragte sich Nola, und wieso hatte sie sich auf der Farm nicht wohlgefühlt? Vielleicht fand sich die Antwort in ihren Büchern ...
Nola öffnete nacheinander jeden der Kartons, den sie noch nicht durchgesehen hatte, und suchte nach weiteren Romanen von Carolyn Whey. In den drei letzten Kartons fand sie jeweils einen. Aufschlußreich waren schon die Titel: Erloschene Sehnsucht, Kein Verlaß auf deinen Schwur, Welke Blätter deiner Liebe. Schon bevor Nola das erste aufschlug, wußte sie, daß sie weitere Aufzeichnungen finden würde.
Aus dem Buch Erloschene Träume fiel ein Zettel:
»Ich möchte hier nicht mehr leben. Laß uns fortgehen, weit weg von hier. – E.«
Die Botschaft in Kein Verlaß auf deinen Schwur lautete:
»Meine Liebe, wenn ich hierbleiben muß, werde ich sterben. Ich flehe dich an, bring mich fort! – E.«
Ein unbehagliches Gefühl beschlich Nola. Was hatte Emily damit gemeint? Mit zitternden Fingern griff sie nach dem letzten der drei Bücher, Welke Blätter deiner Liebe, und blätterte darin.
Diesmal war die Notiz länger, die Handschrift unsicher. Sie lautete:
»Zu spät. Wir sind entdeckt. Ich habe mehr Angst um dich als um mich selbst. Komm nie wieder, Liebster. Verzweifle nicht; die Saat unserer Liebe wird weiter in mir wachsen. Dies ist unser Abschied. Die Blätter unserer Liebe sind welk geworden. – E.«
Nola las diese letzte Mitteilung viele Male und bemühte sich verzweifelt, sie zu verstehen. Was – oder wen – hatte Emily fürchten müssen? Wer hatte sie entdeckt? Der einzige Schluß, den ihre Zeilen erlaubten, war schockierend; offenbar hatte Emily einen Liebhaber, und Galen war dahintergekommen. Wenn dies der Fall war und sie um ihr Leben fürchten mußte, oder um das ihres Geliebten, war Galen ein Mann mit einer dunklen Seite, vor dem man auf der Hut sein mußte.
Eine Frage, die unbeantwortet blieb, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Was war mit Emily geschehen? Wie war sie gestorben? Wäre sie einer Krankheit erlegen, könnten sich Heath und Keegan daran erinnern und hätten sicherlich davon gesprochen. Obwohl Nola es nichtglauben wollte, schien es, als wäre sie eines sehr plötzlich Todes gestorben. Dieser Gedanke ließ sie schaudern. Eins wußte sie – wenn sie eine Antwort auf diese Frage finden würde, würde sie zugleich alle übrigen beantworten.
Nola verließ das Schulhaus und ging umher, ohne Sinn für ihr Ziel und ihre Richtung. Als sie zum Mannschaftshaus kam, traf sie auf Jack, der vor der Türschwelle saß und rauchte.
»Kannst du auch nicht schlafen, Jack?« fragte sie und lehnte sich an die Bretterwand.
»Drinnen schlafen nicht gewohnt«, erklärte er. »Unter den Sternen besser schlafen.«
»Es ist sicherlich auch viel zu heiß da drinnen. Hier draußen ist es angenehmer.«
»Dort, wo herkommen – ist es da auch so heiß, Missus?«
»Nein, Jack. Nicht wie hier. Nicht so – drückend.«
»Aus großer Stadt kommen, Missus? Weit weg?«
»Ja, Jack. Aus London. Eine sehr, sehr große Stadt in England. Die Reise von dort hat lange gedauert, auf einem Schiff.«
»Nie große Stadt gesehen, Missus.«
»Es gibt sehr viele Häuser in London. Viele Straßen.«
Jack schüttelte verwundert den Kopf.
»Hast du schon einmal ein großes Schiff gesehen, Jack?«
»Nein, Missus. Freund sagen, große Schiffe kommen an unser Land, bringen viele Weiße mit, viele neue Sachen. Ist Schiff größer als Julia-Creek-Hotel?«
Zu ihrem Schrecken merkte Nola, daß die Frage ganz ernst gemeint war. »Aber ja, Jack. Ein Schiff ist noch viel,viel größer als die ›Stadt‹ Julia Creek.« Angesichts seiner Verblüffung konnte Nola sich das Lachen nicht verbeißen.
Wieder schüttelte Jack den Kopf und konnte kaum fassen, was sie ihm erzählte, aber es störte ihn nicht weiter. Seine Haltung stimmte Nola nachdenklich. Wie mochte das Leben sein, das er hier führte?
»Du hast mir erzählt, du wärst auf einer Farm großgeworden, Jack. Und trotzdem bist du viel bei deinem Stamm gewesen?«
»Ja, Missus. Wenn der Stamm auf ›Wanderschaft‹ geht, ich mitgehen. Viel Zeit mit meiner Mutter verbracht. Sie wollte, daß ich Stammesleben kenne.«
»Erzähl mir mehr vom Stammesleben, Jack.« Nola hockte sich neben ihn auf die Treppenstufen zum Mannschaftshaus.
»Was wissen wollen, Missus?«
»Welche Rolle spielen Frauen in eurem Stamm?«
Jack verzog ratlos das Gesicht. Schließlich merkte sie, daß er nicht begriff, was sie mit ›Rolle‹ meinte.
»Die
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