Im Land des Eukalyptusbaums Roman
kleinen Ausritt zu machen.
Sie sattelte Wirangi und ließ ihn zum Viehcamp traben, wo die Rinder gezählt wurden. Die kühle Morgenluft war erfrischend, auch wenn ihre aufgewühlte Seele dadurch nicht ruhiger wurde. Sie hatte schon begonnen, sich an Galen zu gewöhnen, ihn für einen zuvorkommenden Mann zu halten. Aber die Briefe, die sie gefunden hatte, ließen ernsthafte Zweifel in ihr aufkommen. Daß er nie ein Wort über seine Frau verlor, steigerte ihren Argwohn noch.
Kurz bevor Nola im Camp eintraf, hörte sie plötzlichSchüsse. Sie zog die Zügel, ließ Wirangi stehenbleiben und lauschte. Erneutes Knallen. Das waren eindeutig Gewehrschüsse! Klopfenden Herzens trieb Nola ihr Pferd an. Als sie auf eine Erhebung kam, von der man das Camp von Norden überblicken konnte, sah sie berittene Männer unter den Rindern, die in die Luft schossen. Die verängstigten Tiere rannten in alle Richtungen auseinander, ebenso die unbewaffneten Aborigines. Jimmy und Jack waren ebenfalls dort und feuerten von ihren Pferden aus auf die Männer. Viehdiebe! Ihr fiel ein, wie Galen von Viehdieben erzählt und seine Leute vor ihnen gewarnt hatte.
Während Nola das Geschehen beobachtete, was ihr wie eine Ewigkeit vorkam – in Wirklichkeit war es nur ein kurzes Innehalten –, nahm die Hauptmasse der Herde plötzlich Kurs in ihre Richtung. Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie unter Hunderten trampelnder Hufe zerschmettert! Im Bruchteil einer Sekunde wendete sie das Pferd und sprengte seitwärts davon. Aber die Herde wechselte ebenfalls die Richtung, von den Gewehrschüssen eines Viehdiebs getrieben.
Plötzlich fand sich Nola mitten in einer Herde von zahllosen wütenden Rindern. Der Donner ihrer Hufe war furchteinflößend. Verzweifelt bemühte sie sich, nicht den Kopf zu verlieren, und galoppierte mit der Menge. Sie hörte, wie jemand schrie, und die Rinder erhoben ein vielstimmig dröhnendes Gebrüll. Hörner streiften ihre Beine. Sie hörte Wirangi vor Schmerz wiehern und ahnte, daß ihn das Horn eines verschreckten Stiers getroffen hatte. Kugeln zischten an ihrem Kopf vorbei und verfehlten sie nur knapp.
Einen Augenblick später spürte sie ein Brennen imRücken, wie von einem rotglühenden Feuerhaken. Wieder nahm die Herde eine andere Richtung, und Wirangi ließ sich mit ihnen treiben. Sie waren jetzt vor der Hauptmasse der Herde, und Nola lenkte Wirangi zur Seite und ließ ihn halten. Er blutete aus einem Riß in der Nähe des Sattelgurts. Seine Augen waren voller Angst und Schmerz. Als die Herde weit genug weg war, stieg Nola ab und untersuchte die Verletzung. Sie riß sich einen Ärmel vom Hemd und preßte den Stoff gegen die Wunde, um den Blutstrom einzudämmen. Beim Anblick des Bluts wurde ihr schwindlig vor Angst, und der Schmerz im Rücken wurde immer stärker. Plötzlich merkte sie, wie sich in großer Eile ein Reiter näherte. Fast panisch fuhr sie herum, aber dann erkannte sie Jack.
»Auf Pferd steigen!« rief er und umkreiste sie.
»Ich kann nicht! Wirangi ist verletzt.«
Jack hielt neben ihr und sah sich die Wunde an. »Aufsteigen!« beharrte er trotzdem.
Ohne Widerrede stieg Nola aufs Pferd und folgte Jack. Sie ritten zu einer Felsengruppe, hinter der sie Deckung suchten. Kaum war sie wieder abgestiegen, als Jack erneut aus seinem Gewehr ein paar Schüsse abgab. Sie hatte gar nicht gemerkt, daß sie verfolgt wurden, aber das Feuer wurde erwidert. Nola duckte sich und hielt das Pferd beim Zügel, aber Wirangi bäumte sich auf und riß sich los.
»Pferd gehen lassen«, schrie Jack.
Wirangi schoß davon. Einige Minuten später war alles ruhig. Jack blieb hinter dem Felsen und hielt noch immer Ausschau, und Nola hielt sein Pferd ruhig.
»Männer weg«, raunte Jack.
In diesem Augenblick sackte Nola zu Boden. »Wirangi ist verletzt. Er wird sterben!« jammerte sie.
»Pferd geht zu Farm zurück«, widersprach Jack. »Nicht schlimm verletzt.«
Nola wurde schwarz vor Augen, und wieder wurde ihr schwindelig. Jack kniete neben ihr. »Räuber Sie geschossen, Missus!« Jack beugte sich über sie und betastete ihre Schulter.
»Nicht tief, Missus«, stellte er fest. »Aber müssen Blutung stoppen.«
»Ich bin gleich wieder okay, Jack. Es ist nur ein Kratzer. Wir müssen nachsehen, ob den anderen etwas zugestoßen ist!«
Galen und Hank waren gerade unterwegs ins Camp, als Jimmy ihnen wie ein Rasender entgegengeprescht kam.
»Was ist los?« rief Galen, als er in Hörweite war.
Jimmy war so außer Atem, daß er
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