Im Land des Eukalyptusbaums Roman
Fast als fürchtete er, mich aus den Augen zu lassen. Ich weiß, daß er mich ablenken wollte, weil er meinen Schmerz spürte. Er gab sich sovielMühe, alles zu lernen, was zur Leitung einer Farm gehört, um mich ein wenig zu entlasten. Mein Glück, daß ich so wundervolle Söhne habe.« Er blickte sich im Zimmer um. »Ich habe versucht, meinen Kindern den Verlust der Mutter erträglich zu machen, aber ich kann sie nicht ersetzen.«
»Niemand kann das«, wandte Nola leise ein.
Er sah ihr direkt in die Augen. »Aber Shannon braucht ein Vorbild. Als sie noch sehr klein war, wollte ich sie nach Adelaide bringen, zu einer Tante. Ich hatte sie nur einmal beim Begräbnis meines Vaters gesehen, und sie hatte angeboten, Shannon zu nehmen, aber wir kannten uns kaum, wechselten höchstens ein oder zwei Briefe. Ich brachte es nicht über mich, Shannon wegzugeben. Ich wußte, daß es das beste für sie wäre, aber ich war unfähig, sie loszulassen.«
»Nach meinem Eindruck haben Sie damit völlig richtig entschieden«, warf Nola ein. »Ich wurde als Kind auf ein Internat geschickt, und glauben Sie mir, nichts geht über die eigene Familie. Etwas geht verloren ... eine Verbindung zu den Angehörigen, die man nie wiedererlangt. Daß Shannon ihre Mutter verloren hat, ist tragisch genug. Müßte sie auch noch ihr Elternhaus, ihre Brüder und ihren Vater aufgeben, wäre das mehr, als so ein kleines Kind aushalten könnte!«
»Meine Tante hat auch nicht darauf beharrt. Wahrscheinlich haben Sie recht – aber, ich bitte Sie, bleiben Sie hier – Shannon zuliebe. Daß Sie gerade von mir nicht erwarten würden, solche Worte zu hören, weiß ich. Ich hätte es selbst nie geglaubt. Aber meine Tochter hat mich die Wahrheit erkennen lassen. Ich weiß, daß Sie eines Tages weggehen werden, aber wenn Sie vorerst bleiben,gewinne ich wenigstens Zeit, mir eine Lösung für Shannon zu überlegen.«
Nola war elend zumute. Er war ein stolzer Mann, und sein Herz vor ihr auszuschütten, fiel ihm bestimmt nicht leicht. Er war außerdem ein sehr verschlossener Mensch, so daß sie sich sehr geehrt fühlte, in sein Vertrauen gezogen zu werden.
»Ganz gleich, was wird; Sie haben für Ihre Kinder getan, was in Ihren Kräften stand. Es kann nicht leicht gewesen sein, besonders nicht mit einer so jungen Tochter. Aber ich bin Ihrer Meinung. Eines Tages wird Shannon eine Mutter brauchen, mit der sie reden und der sie vertrauen kann. Eine Weile ginge es vielleicht noch so, aber der Tag wird unweigerlich kommen. Bis dahin kann ich ihr beibringen, was ich auch die Jungen lehre, und ich glaube, sie fühlt sich in meiner Gesellschaft wohl.«
»Ganz sicher«, nickte er zuversichtlich. Dann stand er auf und ging zur Tür. Im Öffnen drehte er sich noch einmal um. Nola glaubte schon, er wolle noch etwas sagen, doch statt dessen schloß er leise die Tür hinter sich.
Sekundenlang rührte Nola sich nicht von der Stelle und lauschte dem Nachhall seiner Worte. Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen, und sie verspürte unbändige Freude. Sie durfte bleiben, und das sogar mit Galen Hartfords persönlichem Einverständnis! Nie hätte sie geglaubt, daß sie so glücklich darüber sein würde. Plötzlich heißhungrig geworden, machte sie sich über das Abendessen her, das er dagelassen hatte, und räumte die Bücher weg. Später dachte sie an Langford Reinhart. Es wäre nett gewesen, wenn er selbst ihr die Erlaubnis zum Bleiben gegeben hätte. Dann hätte sie dieGelegenheit gehabt, ihn zu fragen, warum die Anwesenheit von Wade Dalton ihn so wütend stimmte. Doch daran war vorerst nicht zu denken. Statt dessen fing sie an, die Lektionen für den nächsten Tag vorzubereiten.
Es war noch früh am Abend, als Nola fertig war mit der Unterrichtsvorbereitung. Zum Nähen hatte sie heute keine Lust, und das Plakat für Esther war auch schon fast fertig. Ihrer guten Laune zum Trotz fühlte sie sich seltsam ruhelos. So viele unbeantwortete Fragen gingen ihr im Kopf herum, und keine Antwort. Sie mußte an Galen und seine unverhoffte Offenheit denken, und an seine Frau. Es war ihr bestimmt nicht schwergefallen, einen solchen Mann zu lieben – gutaussehend, wenn auch ein wenig rauh, und seine Zurückhaltung ließ ihn attraktiv erscheinen. Dadurch wurden die seltenen Augenblicke, in denen er sich offenbarte, erst recht bemerkenswert. Und was hatte Wade Dalton von Emily gesagt? Daß sie zart und empfindlich gewesen war, und das Leben auf dem Land nicht ausgehalten hatte. Wo
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