Im Land des Eukalyptusbaums Roman

Arbeit der Frauen. Was tun die Lubras?«
    »Jeder im Stamm muß etwas tun. Lubras kümmern sich um Piccaninnies.«
    »Piccaninnies! Du meinst – kleine Kinder?«
    Jack grinste. »Ja, Piccaninnies. Lubras sammeln Jams oder andere Wurzeln, Beeren und Nüsse. Lubras kennen jeden Obstbaum, jedes Wurzelfeld in Umgebung. Wo Tiere und Insekten sind, Frauen sehen, immer und immer wieder. Augen offen, die ganze Zeit. Schauen nach Bienen, wissen, wo Honigwaben zu holen mit Beil. Töten auch Eidechsen, Kaninchen, kleinere Tiere.«
    »Aber wie?«
    Jetzt mußte Jack lachen, als er Nolas Gesichtsausdruck sah. »Frauen tragen Werkzeug, ein Grabstock, aus hartem Holz, an beiden Enden spitz. Über Feuer hart gemacht. Zum Graben, auch zum Töten kleiner Tiere benutzen, und zum Kämpfen.«
    »Kämpfen?«
    Wieder lachte er, als sie ungläubig die Stirn runzelte. Seine weißen Zähne leuchteten im Dunkel, die ebenholzfarbene Haut glänzte. »Manchmal! Kinder sammeln Feuerholz. Männer jagen nach Fleisch. Immer Speer und Speerwerfer mitnehmen. Wenn Jagd auf Tiere und Vögel, Mann muß Spuren lesen und andere Zeichen, um richtiges Wissen zu haben. Sie nicht sehen, was wir sehen, Missus. Wir Geräusche machen können wie Tiere, und Leben der Tiere kennen. Müssen Windrichtung kennen, leise und so schnell wie möglich durch Unterholz gehen, und Beute nicht verschrecken.« Während Jack sprach, bewegte er Hände und Füße, als wolle er seinen Bericht nicht bloß vortragen, sondern nachspielen. Erst sehr viel später sollte Nola lernen, daß sich die Ureinwohner mit Tänzen ihre Geschichten erzählen.
    »Jäger reiben sich auch ein mit Schlamm oder Ocker zur Tarnung, versteckt eigenen Geruch. Wenn Tiere fängt, Frau bereiten für Kochen vor. Ziehen Emu die Federn aus und all das.«
    Nola war fasziniert und wollte mehr davon hören.
    »Gibt es Heiler in eurem Stamm, Jack? Einen ... Medizinmann?«
    »Ja, Missus. Er viel mächtig.«
    »Wer bestimmt ihn dazu?«
    »Die Ältesten, und Medizinmann selbst, suchen nachjemand, der immer nachdenkt, oder der oft bei Medizinmann hilft und lernt. Vielleicht jemand mit besonderen Kräften, alles sehen. An seinen Augen erkennen guten Medizinmann.«
    »Augen? Wie meinst du das, Jack?«
    »Gute Augen können hier sehen!« Jack deutete auf seine Brust, und Nola glaubte, er meinte, sie sehen in die Seele. »Medizinmann kann Krankheit wegnehmen, oder jemand krank machen und sterben!«
    Nola war überrascht. »Wie ein ... Hexendoktor?«
    »Ja, Missus. Mächtige Medizin.«
    »Sieht er anders aus, als die Mitglieder des Stammes, Jack?«
    »Wenn Medizinmann gewählt, er bekommt Loch in Zunge.«
    »Warum sollte der Hexendoktor jemanden krank machen, Jack? Ist seine Aufgabe nicht, zu heilen?«
    »Bevor er werden, muß selber sterben! Sein Inneres von Stamm herausgenommen, damit Platz für Geister in Körper. Hexendoktor trägt Quartzsteine, Knochen und Geisterschlange im Inneren. Kann Reisen durch Himmel und Himmelsland besuchen. Kann Feinde töten mit besonderer Kraft, auch jemand von anderem Stamm.«
    »Gibt es noch andere Stämme in der Gegend? Ich kenne nur deinen Stamm.«
    Jack grinste. »Missus nicht sehen. Im Osten, nahe Grenze, sind die Workia, südlich die Goa, und die Pitta Pitta.«
    »Sind diese Stämme freundlich zueinander?«
    »Alle freundlich zu Wana Mara, aber jeder Stamm eigene Jagdgründe. Andere Stämme von weiter im Norden, von Daley Rinver, nicht freundlich.«
    »Die Pitta Pitta, die Workia und die Goa, sprechen sie andere Sprachen als die Wana Mara?«
    »Anders, ja. Aber wir verstehen.«
    Nolas Wißbegierde wurde durch seine Auskünfte nur noch gesteigert. »Könntest du mich einmal nachts zu deinem Stamm mitnehmen, nach der Arbeit, Jack? Ich würde wirklich gern mehr von ihnen erfahren.«
    Er konnte sehen, daß ihr Interesse aufrichtig war. »Sie uns Geschichten von England erzählen, Missus, und wir Ihnen erzählen von unserer ›Traumzeit‹!«
    Nola lächelte, und Jack nickte ihr zu. »Einverstanden.« Sie reichte ihm die Hand, und damit war der Bund zwischen ihnen geschlossen.

    Es war fünf Uhr früh, und es dämmerte bereits. Nola hatte nicht viel geschlafen. In ihrer Kammer war es drückend heiß, und sie konnte Jack nachfühlen, daß er nicht gern im Haus schlief. Sie selbst hätte auch viel lieber ihr Nachtlager unter den Sternen aufgeschlagen. Sie hatte den dringenden Wunsch nach frischer Luft. In der Hütte wurde sie erst in anderthalb Stunden erwartet; daher beschloß sie, einen