Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
Vom Netzwerk:
Amenophis.»
    Ich öffnete das Kästchen, und das Wissen um das, was mich erwartete, ließ meine Augen vor Rührung immer noch feucht werden. Da lag unverändert der kleine Papyrus, worauf mein Freund vor nun bald dreißig Jahren geschrieben hatte: «Ich danke dir. Ameni.»
    Es war sein Dank für jene Nacht, in welcher ihm ein teuer bezahltes Mädchen das zeigte, was viele Menschen Liebe nennen. Ich sah noch einmal auf den Zettel und musste aufs Neue über das Verwechslungsspiel lachen, das mein Diener Senu und ich uns damals hatten einfallen lassen. Senu brachte das Mädchen in mein Schlafzimmer, wo Ameni auf sie traf, während ich in Pharaos Bett schlief. Das Mädchen glaubte, sie würde Pharaos Freund Eje beglücken, und die Leibwachen Pharaos waren der festen Überzeugung, sie schützten in jener Nacht ihren jungen Herrscher vor den Gefahren dieser Welt.
    Doch es gab noch mehr kostbare Erinnerungsstücke: DieBriefe Amenis, die er mir nach Babylon geschickt hatte, und die Briefe, die Merit und ich uns geschrieben hatten. Da lagen die Schmuckstücke meiner Lieben, die ich noch nicht einer meiner Töchter geschenkt hatte. All diese Dinge wickelte ich sorgsam in Leinentücher und verstaute sie in der Truhe.
    Früh am Morgen, es war noch weit vor Sonnenaufgang, stand ich auf. Ich wusch mich ausgiebig und kleidete mich so festlich, als ginge ich zum Palast Pharaos. Leise schlich ich mich aus dem Haus, damit niemand geweckt wurde. Draußen standen drei Pferdewagen. Aufgeregt scharrte eines der Tiere mit den Hufen im Sand und erschreckte eine Amsel so sehr, dass sie sich aufgeregt kreischend und tief am Boden fliegend in eine andere Ecke des Gartens flüchtete und durch ihr Gezeter die Nachtigall verstummen ließ. Ich blieb stehen und hörte aufmerksam in den heranbrechenden Morgen hinein, bis ich die ersten zaghaften, aber unverkennbar deutlichen Pfiffe der Nachtigall wieder hörte. Ich harrte aus, bis sie ihr zauberhaftes Lied neu angestimmt hatte. Es war ein guter Morgen.
    Ein Wagen mit einem Soldaten und einem Wedelträger fuhr vor mir her, mein Diener Ipu folgte mir auf dem anderen. Ich lenkte meinen Wagen selbst, denn ich wollte allein sein, wollte nicht sprechen müssen. Ohne Eile rollten wir durch die Straßen der Stadt, und hier und da bestätigte uns das laute Kläffen eines Wachhundes, dass wir selbst ihn in seiner Ruhe gestört hatten. Während uns die Fähre zum westlichen Ufer brachte, begann es zu dämmern.
    Nebelschwaden hingen in den Schilfgürteln des Flusses, und sie ahnten wohl, dass Aton in weniger als einer Stunde ihrem Dasein ein jähes Ende bereiten würde. Die ersten Fischerboote glitten lautlos über den Nil und ließen den einen oder anderen Schwarm aufgeschreckter Wasservögel wie eine schwarze Wolke emporsteigen und davonziehen. Drüben angekommen, wurde unsere Fahrt schneller, wir fuhren in südwestlicher Richtung, dorthin, wo die Auffahrt zum Totental lag. Es war der erste Tagder Woche, und so sahen wir die Arbeiter, wie sie in einer langen Reihe über den Kamm der Hügelkette zogen, von ihrem Dorf kommend, um neun Tage im Tal der ewigen Ruhe am Grab Nimurias zu arbeiten.
    Wir erreichten die Anhöhe über dem Tempel von Osiris Maat-ka-Re Hatschepsut. Wir hielten an, und ich sah auf die Stelle hinunter, wo erst vor Monaten ein Armer sterben musste, weil er mir ein Geheimnis anvertrauen wollte. Dahinter lagen der Fluss und die Stadt. Im Dunst des erwachenden Morgens war weit weg im Norden der Totentempel Niumurias nur zu erahnen. Doch als Aton endlich erschienen war, und der Glanz seiner Strahlen die Luft reinigte, wodurch sich der Dunst auflöste, sah ich sie: Die gewaltigen Steinfiguren Nimurias, die am Eingang seines Tempels der Millionen Jahre wachten und für alle Ewigkeit auf Waset hinüberschauten, herausfordernd und beruhigend zugleich.
    Wir fuhren weiter und erreichten den Eingang zum Tal. Ein Wedelträger, der mir Schatten spendete, und mein Diener Ipu, der zwei Blumenkränze trug, begleiteten mich. Schweigend gingen wir in das Tal hinein, zwischen den steilen Felswänden hindurch. Rechts lag der Eingang zu dem Seitental, in welchem Nimuria sein Grab errichten ließ und wo sich der Platz meiner letzten Ruhestätte befand. Wir gingen noch einige hundert Ellen geradeaus und bogen nach links ab, in ein enges Tal. Ich nahm die beiden Blumenkränze und ließ meine Begleiter zurück. Nur wenige Ellen musste ich den schmalen Pfad hinaufsteigen, bis ich den Eingang zum Grab meiner Eltern

Weitere Kostenlose Bücher