Im Land des Falkengottes. Echnaton
Feiertag, und es jubelte der Aton, denn man gab ihm an diesem Tag seine Stadt Achet-Aton, man gab sie ihm für alle Ewigkeit.»
Echnaton war zufrieden mit dem, was er gesehen hatte. Dann brachte er für Aton Opfer dar. Er legte Obst und Gemüse nieder und frisches Fleisch. Sodann vergoss er Wein und Bier und sprach still ein Gebet. Wir gingen die Anhöhe schweigend hinab. Unten angekommen, bestieg Pharao den Prunkwagen und fuhr langsam, sehr langsam, von Norden nach Süden auf der achtzig Ellen breiten Prachtstraße, der Heiligen Straße des Aton, durch die werdende Stadt. Alle Baumeister und Architekten, alle Handwerker und Bauarbeiter, alle Sklaven und Handlanger begingen diesen Tag als einen Festtag. Sie säumten die Straßen und jubelten ihrem Herrscher zu. Es war aber auch nicht zu übersehen, dass Pharao stärker bewacht wurde als je zuvor. Nicht nur Soldaten der Leibgarde säumten Schulter an Schulter den Wegdes Herrschers, auch die Soldaten Haremhabs waren überall zu sehen, jeder von ihnen bereit, mit seinem eigenen Leben Pharao zu schützen.
Echnaton ließ für sich und seine Begleiter am nördlichen Ufer, in einem alten Palmenhain, eine Zeltstadt errichten, wo wir bis zur Vollendung unserer Paläste und Häuser lebten. Trotz vielerlei Entbehrungen war das Leben in den Zelten sehr angenehm. Es erinnerte mich in vielem an die Zeit, die ich mit Nimuria während des Feldzuges in Nubien verbracht hatte. Mein kleiner Hofstaat bestand aus vier Zelten. In einem schliefen meine Diener, in einem weiteren die Dienerinnen, in ihm wurden auch meine Kleider aufbewahrt. Das dritte Zelt diente zur Reinigung, zum Schminken und Ankleiden. Das vierte Zelt schließlich bewohnte ich selbst. Neben dem eigentlichen Schlafraum gab es einen Vorraum, in welchem ein Tisch und zwei Klappstühle standen. Wir alle schliefen auf einfachen, zusammenklappbaren Feldbetten und hatten in jedem Zelt nur zwei oder drei Truhen mit Perücken, Schmuck und den wenigen anderen persönlichen Dingen, die wir mit uns führten.
In der Mitte der Zeltstadt stand neben den zwölf Zelten Echnatons und seines Hofstaats das große Prunkzelt Nimurias, in welchem einst die Gesandten Mitannis empfangen wurden, als sie Prinzessin Giluchepa nach Ägypten brachten, um sie mit Pharao zu vermählen. Es bestand aus zwölf vergoldeten Masten, die in vier Reihen zu je drei Masten das weiße Zeltdach trugen. Das Zelt war einhundertzwanzig Ellen lang und achtzig Ellen breit. Die seitlichen Zeltbahnen waren aber nicht mehr mit Abbildungen aus der Zeit Nimurias verziert, sondern mit farbigen Darstellungen der Familie Echnatons. Dieses Zelt diente uns allen als Speisesaal ebenso wie als Audienz- und Versammlungssaal. Hier feierten wir Feste, und hier erläuterte uns Echnaton die Pläne für seine Stadt. Hier sprach er mit uns über Aton und dessen Wirken in und für die Welt.
Er sagte: «Ich bin der Herr der Beiden Länder. Mein Vater Aton aber herrscht als König über die ganze Welt. Deswegen soll künftig sein Name wie der Name eines Königs in den heiligen Ringen geschrieben werden.»
Er sagte uns, dass Aton nicht zu den Menschen spricht und dass die Menschen nicht zu Aton sprechen könnten. Er, Echnaton allein, sei der Mittler, und an ihn müssten wir uns mit unseren Anliegen und Bitten wenden. Der Gehorsam des Menschen gegenüber Aton und dessen Verehrung vollziehe sich ausschließlich im Gehorsam und in der Demut des Einzelnen gegenüber Echnaton. Deswegen sollte in jedem Haus ein Abbild der königlichen Familie errichtet werden, damit sich der Einzelne mit seinen Gebeten an seinen Herrscher wenden könne. Er sagte uns auch, wie Aton und die königliche Familie künftig gezeigt werden mussten und dass es keine Tabus in den Darstellungen geben durfte. Die Bildhauer sollten Echnaton und Nofretete zeigen, wie sie waren, wie sie lebten: Beim Essen und Trinken, wie sie sich liebkosten und wie sie mit den Kindern spielten, wie sie mit dem Wagen gemeinsam durch die Stadt fuhren und Nofretete ihren Arm liebevoll um die Hüften ihres Gemahls schlang.
Er sagte uns, dass wir die Gräber nicht mehr im Land der untergehenden Sonne errichten würden. Der Westen sei zu sehr behaftet mit Tod und Vergänglichkeit. Sein Glaube sei kein Glaube des Jenseits und des Todes mit all dem Schrecken, der damit verbunden ist. Wie die Menschen auf der Erde würden unsere Seelen nachts nur ruhen, um morgens gemeinsam mit Aton und seiner gesamten Schöpfung zu erwachen und um die
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