Im Land des Falkengottes. Echnaton
wusste ich doch, dass ich eines der Bindeglieder zwischen den Höfen von Waset und Achet-Aton sein würde. Trotz dieses Wissens, dass ich immer wieder hierher und in meinen Palast zurückkehren würde, hoffte ich während unserer langen Unterhaltung doch auch, er würde mich darum bitten, bei ihm in Waset zu bleiben.
Er schien meine Gedanken zu erahnen, denn ohne besonderen Anlass sagte er mit traurigen Augen: «Ich bat dich schon einmal, bei meinem Sohn zu bleiben. Heute wiederhole ich meine Bitte, auch wenn es mir schwer fällt. Du bist nicht verloren für mich, denn du kannst hierher kommen, wann immer es dir beliebt. Doch die Einheit der Beiden Länder, das Wohl Ägyptens, geht allem anderen voraus.»
«Wann wirst du nach Achet-Aton kommen?», fragte ich ihn, um von dem schmerzlichen Thema abzulenken.
«Ich nach Achet-Aton?» Seine Gegenfrage klang beinahe entrüstet.
«Niemand kann erwarten, dass ich diese Stadt je betreten werde. Auch Echnaton und Nofretete nicht. Du weißt, dass weder mein Vater noch ich jemals tiefe Zuneigung zur Priesterschaft des Amun empfanden. Ich habe ihnen meine Seele nicht verkauft, wie es einst Hatschepsut getan hatte. Ich selbst war es, der der Verehrung des Aton in unserem Land Tür und Tor geöffnet hat. Ich habe beinahe jeden Kampf mit ihnen ausgefochten, den es auszufechten gab. Ich habe den Bau des Gempa-Aton in Waset geduldet, ja sogar möglich gemacht. Aber wenn mein Sohn seine neue Hauptstadt in Gänze dem Aton weiht und dort die Verehrung anderer Götter gar nicht zulässt, geht das zu weit und entspricht nicht mehr den Geboten der Maat. Ich rede darüber nicht vor anderen, um ihn nicht bloßzustellen. Aber er kennt meine Meinung, denn wir haben bereits darüber gesprochen.Ich will hier mit den Dienern des Verborgenen in leidlichem Frieden den Rest meiner Lebenszeit verbringen. Das ist schwer genug, wie du weißt.»
Als Vater tat mir Ameni Leid. Ohne Zweifel wusste er um die geistigen Fähigkeiten Echnatons. Ihm war bewusst, dass er und sein Sohn sich im Grunde nichts zu sagen hatten. Die Verherrlichung des Feldzugs gegen das elende Kusch, die Leistungen des Vaters im Bogenschießen und Schwimmen, die unendlich vielen und langen Berichte Amenis von seinen Jagden auf Löwen und Wildstiere mochte Echnaton nicht hören, sie widerten ihn an. Und er gab das offen zu. Auch wenn beide erfüllt waren von der Leidenschaft, gewaltige Bauwerke zu errichten, konnte daraus keine Zuneigung entstehen, denn zu unterschiedlich waren die Meinungen von Vater und Sohn über die Kunst und die Frage, wie sie sich darstellen durften. Die einzige gemeinsame Leidenschaft der beiden bestand darin, mit Streitwagen Rennen zu fahren. Dies allein war freilich keine tragfähige Grundlage für ein inniges und vertrauensvolles Verhältnis von Vater und Sohn.
Mit Thutmosis, seinem verstorbenen Erstgeborenen, hätte Ameni all diese Sorgen nicht gehabt. Amenophis war sich dessen wohl bewusst, und deswegen mochte seine Trauer um diesen Sohn auch nie enden.
Im Hafen von Waset herrschte schon seit Wochen ein lebhaftes Treiben, denn Tag für Tag wurden die Schiffe derer beladen, die nach Norden in die neue Hauptstadt aufbrachen. Rührende Bilder des Abschieds konnte man dort sehen, und es waren durchweg junge Menschen, die ihre Eltern in Waset zurückließen und in ein neues Leben aufbrachen. Alle Gespräche wurden von dem Lärm des Hafens, den Flüchen der Vorarbeiter, dem Gebrüll der Zugstiere, dem Klappern der Wagenräder, dem Knirschen der Schlittenkufen und von den Kommandos der Seeleute übertönt, die Luft schien vor Geschäftigkeit zu flimmern.
Niemand nahm uns zur Kenntnis. Wir waren eine Familieunter vielen, die hier eintrafen, um ihr Schiff zu besteigen. Große und Mächtige kamen in diesen Tagen zuhauf in den Hafen, sodass ein Einzelner von ihnen, mochte er auch der Gottesvater sein, unbeachtet blieb. Einzig der Hafenmeister selbst zeigte sich zuvorkommend und hilfreich und sorgte dafür, dass wir durch das Gedränge hindurch zu der Anlegestelle gebracht wurden, wo unsere Barke lag. Ipu selbst trug meine Holztruhe hinter mir her, und er legte sie nicht aus den Händen, hatte ich ihm doch mit der schlimmsten aller Strafen gedroht, wenn er sie nicht sicher bis in den Schlafraum unseres Schiffes brachte, um sie mir – und nur mir – dort wieder zu überantworten. Ich selbst schob sie unter mein schmales Bett und befahl zwei Soldaten meiner Streitwagentruppe, die hier im Hafen ihren Dienst
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