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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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erreicht hatte. Vor dem Eingang lagen die beiden Kränze, welche ich bei meinem letzten Besuch niedergelegt hatte. Ihre Blumen waren vollkommen vertrocknet, die Farben nahezu verblichen. Ich tauschte sie gegen die neuen Kränze aus, und dann sah ich nach oben, wo über dem Eingang eine Statue meines Vaters mit einer Steintafel befestigt war.
    «Einer, der bei Osiris in Ehren und in der Gunst des vollkommenenGottes Neb-maat-Re steht, Juja, gerechtfertigt beim Großen Gott», las ich dort, wie ich es schon unzählige Male zuvor getan hatte.
    Hier ruhten sie, ausgestattet mit allem, was die Toten nach unserem Glauben für ihr Weiterleben brauchten: Speise und Trank, Möbel, Kleider, Arbeiterfiguren ohne Zahl, selbst der Streitwagen Vaters lag in dem Grab vor mir, damit er im Jenseits würdig weiterleben konnte – doch waren und blieben sie für alle Zeit in diesem Grab eingesperrt. Wie viel besser gefiel mir da der Totenglaube Echnatons: Wie die Lebenden auch, so ruhten die Toten nachts nur in ihren Gräbern, damit ihr Ka bei Tage heraustrat in die Herrlichkeit des Aton, um die Schönheit der Schöpfung genießen zu können für alle Zeit. Aber wer wusste es wirklich?
    Wusste es Echnaton?
    Ich spürte, dass ich mit der Grabstätte meiner Eltern zunehmend wenig anzufangen wusste. Das hatte nichts zu tun mit dem Glauben Echnatons, das hatte nur zu tun mit der langen Zeit, die seit ihrem Tod vergangen war. Ich musste gehen.
    «Macht es gut», sagte ich wie immer, wenn ich sie verließ, und klopfte mit den Knöcheln meiner rechten Hand gegen die Scheintür des Grabes, als wollte ich auf mich aufmerksam machen, falls sie gerade ruhten.
    Dann stieg ich hinab und ging mit meinen Begleitern zurück zum Eingang des Tales. Mein nächster Weg stimmte mich trauriger. Das Grab Merits lag weit entfernt vom Grab meiner Eltern, dort, wo Königinnen und Prinzessinnen und hoch gestellte Frauen bestattet wurden, wenn sie vor ihren Männern starben und diese noch kein eigenes Begräbnis besaßen. Auch hier lagen noch die Kränze meiner letzten Besuche vor der Scheintür, und auch hier sprach ich ein Gebet. Ich wollte mir nicht mehr vorstellen, dass Merit in dieser finsteren Grabstätte lag. Allzu gut wusste ich noch, wo sich all die Grabbeigaben befanden, die wir hierher gebracht hatten. Nein, es war nicht gut, sich das vorzustellen.Ob ihr Ka jetzt irgendwo hier draußen saß, sie in meiner Nähe weilte? Ich wünschte es mir, auch wenn es mir meine Merit nicht zurückbrachte.
    «Mach es gut», sagte ich auch hier und klopfte gegen die Scheintür. Dann wischte ich mir eine Träne von der Wange.
    «Wer weiß, wann ich wieder bei dir sein kann», flüsterte ich und ging hinunter zu den Pferdegespannen.
     
    Der Weg vom Gräberfeld zum Palast der leuchtenden Sonne war nicht weit. Es war früher Nachmittag, die Sonne brannte gnadenlos auf uns herab. Die Vorfreude auf den Besuch bei Ameni half mir, die Traurigkeit, die mich befallen hatte, zu überwinden. In dieser Vorfreude warf ich meine Perücke auf den Boden meines Wagens und jagte meine braven Pferde über den Schotter der Wüstenstraße, wie Ameni und ich es schon immer gern taten. Der heiße Wüstenwind blies mir den Atem der Hölle ins Gesicht. Dennoch war es ein herrliches Dahinrasen, wenn die Haare vom Wind zerzaust wurden und aufgewirbelte Sandkörnchen, die gegen den Körper schlugen, wie tausend Nadelstiche piekten. Die Augen verengten sich zu winzigen Sehschlitzen, damit sie so gut es ging vor Fliegen und Sand geschützt wurden. Die Offiziere der Streitwagentruppe wussten wohl, welch waghalsiger Wagenlenker ich einst war, und dass es noch heute kaum einer mit mir aufnehmen konnte. Deswegen versuchten sie erst gar nicht, mit mir gleichzuhalten oder mich zu überholen. Vielleicht taten sie es aber auch aus Respekt vor meiner Person nicht. Der erste Gedanke gefiel mir freilich besser.
    «Für wen bist du dieses Rennen gefahren?», fragte Ameni mit strahlendem Gesicht, als er mich unter dem riesigen Sonnensegel seiner Terrasse empfing. «Für mich oder deinen Diener Ipu?»
    «Ich wusste nicht, dass du in eigener Person über all diejenigen Aufsicht führst, die sich deinem Palast nähern», hielt ich dagegen, obgleich ich wusste, dass er mich beobachtet hatte. Denn ich sah ihn schon von weitem, wie er an der Brüstung seiner Terrassestand und auf die Ebene vor ihm hinabblickte, und unsere Wagen auf den Palast zurasen sah.
    Es war kein trauriger Abschied von Amenophis Mer-chepesch,

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