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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Schüler des Bildhauers durch zwei Strohhalme atmen, die man ihnen in die Nasenlöcher steckte und um welche man den feuchten Gips auftrug. Damit sie sich in der Finsternis ihrer kühlen Maske nicht verlassen und verraten fühlten, blieb Thutmosis neben ihnen sitzen und hielt ihnen eine Hand, bis der Gips vollständig aufgetragen und ausgetrocknet war. Die ersten Masken waren noch nicht zufrieden stellend. Die Jünglinge aus der Werkstatt des Meisters bewiesen offenbar doch noch nicht die nötige Ruhe, damit der Abdruck ungestört und ohne Risse zu bilden, trocknen konnte. Auf trockener Haut blieben oftmals Teile des Gipses haften und dadurch wurde die Maske beim Abnehmen zerstört, was zudem auch noch Schmerzen bereitete.
    So bot ich mich meinem Freund Thutmosis für dessen Versuche an, nachdem er mir von seinen Missgeschicken berichtet hatte. Ti begleitete mich, denn wir sollten nach unserem Aufenthalt in der Werkstatt zum Abendessen bleiben. Thutmosis führte uns durch nahezu alle Räume seines Hauses, wo wir manches Kunstwerk bestaunen konnten, das weder für den Palast noch für andere Auftraggeber bestimmt war. Zwei Gehilfen versahen noch ihren Dienst, als wir die «Gipskammer», wie Thutmosis diesen Raum nannte, erreichten. Sie hatten hauchdünne, weiße Binden vorbereitet, wie man sie sonst zum Einwickelneinbalsamierter Toter verwendete, und rührten in einer großen Alabasterschale eine weiße, schmierige Masse an.
    Ich nahm auf einem Sessel mit einer schrägen Rückenlehne Platz und legte meinen Kopf auf eine Stütze, sodass ich geradewegs an die Decke des Raumes sah. Thutmosis nahm ein Fläschchen mit einer wohlriechenden, öligen Masse und rieb mir damit vorsichtig das ganze Gesicht ein. Der Haaransatz auf der Stirn und die Augenbrauen wurden besonders stark eingeschmiert. Ein Schüler reichte seinem Meister jetzt die Schale mit der weißen Masse. Nun hatte ich die Augen zu schließen. Dankenswerter Weise wurde zum Anrühren warmes Wasser verwendet. Ich begann zu spüren, wie Thutmosis den lauwarmen Gips nach und nach auf meinem Gesicht verteilte.
    «Nicht erschrecken», warnte er mich mit der betulichen Stimme eines Arztes, der seinem Patienten gleich Leid zuzufügen gedenkt und es doch nur gut meint. «Jetzt stecke ich dir zwei kleine Schilfrohre in die Nase, damit du atmen kannst.»
    Schon spürte ich die beiden Röhrchen unbequem in meiner Nase stecken und wie geschickte Hände den Gips um sie herum verteilten. Ich vertraute Thutmosis vollkommen. Er lenkte mich mit dem neuesten Gerede aus dem Palast ab, und so wurde ich schnell sehr ruhig und fühlte mich trotz dieses ungewohnten Zustands sicher und geborgen.
    Das Ergebnis versetzte uns alle in Erstaunen. Nachdem er von dem Abdruck eine neue Form gegossen und die Hülle entfernt hatte, lag – wenn auch kreidebleich – mein Antlitz, wie es tatsächlich war, vor uns. Thutmosis nahm ein kleines scharfes Messer, kratzte ein wenig an den beiden Augen herum, und schon wurde aus dem gerade noch schlafenden ein sehender, ernst dreinblickender Eje.
    «Diese Art Büsten herzustellen kennt keine Nachsicht, mein Freund. Hättest du etwas freundlicher über meine Arbeit gedacht, als du hier gelegen hast, würde uns dein Abbild nicht so missgelaunt ansehen.»
    «Ich habe nichts gegen diesen Gesichtsausdruck einzuwenden», hielt ich dagegen. «Ich mag Bilder und Büsten mit diesem meist verkrampft wirkenden Lächeln der Abgebildeten ohnehin nicht leiden. Fertige mir davon drei Büsten aus schwarzem Basalt, und ich werde meine Frau und zwei Freunde damit glücklich machen!»
    Die Büste, die Thutmosis an diesem Abend von mir gefertigt hatte, bildete den Anfang einer langen Reihe von Abbildungen der Großen und Mächtigen von Achet-Aton, Abbildungen, die immer lebensechter und vollkommener wurden. Aber Thutmosis beließ es nicht bei den Bildnissen der Mächtigen. Die einfachen Menschen, deren Antlitz vom Alter, von harter Arbeit und Entbehrung gezeichnet waren, reizten ihn viel mehr, denn nur ihre Gesichter hatte Furchen, Falten und Kanten. Die Köpfe derjenigen, die im Wohlstand feist und rund geworden waren, gaben da nicht viel her.
     
    Echnaton selbst widmete sich neben all seiner Arbeit zunehmend einer Aufgabe, die ihm schon so lange, eigentlich seit seinem ersten Besuch bei Merimes im Tempel des Re am Herzen lag: die Erneuerung der ägyptischen Sprache und ihrer Schrift. Wie oft hatte sich der junge Herrscher darüber beklagt, dass das, was wir sprachen, nicht

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