Im Land des Falkengottes. Echnaton
gefeiert hatten. In diesen Festen wurde ihr Glauben augenscheinlich, letztendlich war das der Inhalt ihres Glaubens: Wenn sie einmal im Jahr zum großen Opetfest die goldene Statue Amuns in dessen Barke sahen, wie er von seinem Heiligtum zum Fluss getragen und in das südliche Ipet-sut gebracht wurde, dann warfen die Betenden Tonscherben mit ihren innersten Wünschen, mit ihren Sorgen und Nöten auf den Prozessionsweg, damit sich die Gottheit ihrer annahm und sie erhörte in ihrem Bitten und Flehen. Echnaton duldete nicht, dass in Achet-Aton Feste für andere Gottheiten gefeiert wurden, wie er keine Tempel für andere Gottheiten außer Aton duldete. Die Tempel Atons kannten auch kein Allerheiligstes, in welchem sich eine Statue des Gottes verbarg, wonach sich die Menschen aber so sehr sehnten. So schufen sich die Menschen der Stadt selbst kleine Götterfiguren, errichten Hausaltäre zu Ehren Amuns, Ptahs oder Mins. Sie taten es im Geheimen, weil sie sich vor dem Zorn des Guten Gottes fürchteten, würden sie entdeckt werden.
Die morgendlichen Fahrten Pharaos wurden bewusst wie Festakte gestaltet, wenn er in seinem goldenen Prunkwagen vom Nordpalast in die Stadtmitte fuhr und so dem Volk erschien, als wäre er selbst ein Gott. Ja, seine Fahrten wurden zum Symbol für den Lauf der Sonne, und er ließ sich besingen als der Strahlende, der den Menschen erscheint wie Aton im Horizont. Das Erscheinen Echnatons im Gempa-Aton war herrlich anzusehen, doch all dies war dennoch kein Ersatz für die Feste, die die Menschen von jeher kannten und mit denen sie groß geworden waren.
In all diesem Treiben, das für eine Stadt und die Menschen darin so gänzlich neuartig war, gebar Nofretete ihre dritte Tochter, Anchesen-pa-aton.Dieser sollten noch drei weitere Töchter, Nefer-neferuaton-Tascherit, Nefer-neferure und zuletzt Setepenre folgen. Wir alle lebten glücklich in diesen Jahren in der Stadt des Aton, in der wir nur für uns und unsere Kinder sorgten. Wir führten ein neuartiges Leben, ohne Nöte und ohne Krieg. Wir fragten nicht danach, was in Asien geschah oder in Nubien. Wir kümmerten uns nicht um Ptah in Men-nefer und um Amun in Waset.
Die Künstler Echnatons schufen herrliche Werke, allen voran Thutmosis. Er richtete sich eine Werkstatt von bisher noch nicht gekannter Größe ein, mit Arbeitsräumen für seine Schüler, mit Brennöfen und einer Halle, in der alle Großen der Stadt geduldig Modell saßen, um die herrlichsten Kunstwerke entstehen zu sehen. Er schuf dort Bilder von Echnaton, so wahrhaftig und lebensecht, wie nie zuvor. Er fertigte Bildnisse der Prinzessinnen und von Nofretete, ihrer Mutter. Thutmosis arbeitete in einer Genauigkeit und Gründlichkeit wie kaum ein Bildhauer vor ihm. Um ein möglichst lebensechtes Abbild Nofretetes zu schaffen, meißelte er zunächst aus Sandstein eine grobe Büste. Darauf formte er aus Gips nach und nach Schultern, Hals, Kopf und Krone, was ihm die Möglichkeit eröffnete, bis in alle Einzelheiten die Gesichtszüge Naftetas wiederzugeben und jeden noch so kleinen Fehler sofort auszubessern. Zuletzt bemalte er die Büste: Den Halskragen in Blau, Rot und Gold, das Gesicht mit seinen roten Lippen, den schwarzen Lidschatten und den dunklen Augenbrauen, zuletzt die Krone in dunklem Blau, mit dem goldenen Stirnreif und den bunten, grün, rot und golden gestreiften Bändern. Diese Büste diente ihm jetzt als Vorbild, als Modell für alle in Stein zu hauenden Bildnisse der Königin und machte ihn in seiner Arbeit unabhängig von der knappen Zeit, auf welche ihn all seine Auftraggeber hinwiesen.
Aber schon bald war Thutmosis die Genauigkeit seiner Augen und seiner Hände nicht mehr genug. Immer wieder stellte er fest, dass irgendeine Kleinigkeit an seinem Werkstück doch nicht der Wirklichkeit so nahe kam, wie er es sich vorgenommenhatte. Deswegen begann er eines Tages, von den Gesichtern Toter Gipsabdrücke zu nehmen. Der Erfolg war erstaunlich: Nachdem die Form ausgegossen und das so entstandene Gesicht von seiner Hülle befreit wurde, glaubte man, in das wahrhafte Antlitz eines gerade erst Verstorbenen zu blicken. Jede Falte und jede sonstige Unregelmäßigkeit der Haut konnte man erkennen. Man sah die vom Todeskampf verzerrten Mundwinkel ebenso wie den zufriedenen Gesichtsausdruck eines endlich von allen Leiden Erlösten.
Dann versuchte sich Thutmosis an Lebenden. Es bedurfte großen Vertrauens in den Lehrherrn, denn um das Ergebnis nicht zu gefährden, mussten die
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