Im Land des Falkengottes. Echnaton
wirklich geschrieben stand. Tage und Nächte verbrachte er mit den besten Schreibern der Stadt und mühte sich gemeinsam mit ihnen Schritt für Schritt um eine neue Schrift. Er ließ die alten Märchen und Geschichten, mit welchen die Schüler zwischen dem Meer im Norden und der zweiten Stromschnelle im Süden über Generationen hinweg gelangweilt und gequält wurden, neu verfassen und befahl, dass fortan nur noch in der neuen Schrift unterrichtet werden durfte. Er wollte aber nicht nur alte Märchen, Lieder und Gedichte neu verfassen lassen. Er spornte Musikanten und Dichter an, Neues zu schreiben, damit auch in der Musik ein Neuanfang sichtbar gemacht wurde.
Und wieder war es Echnaton selbst, der uns alle mit dem Schönsten überraschte, das in Achet-Aton gedichtet und geschrieben wurde. Es handelte sich aber nicht einfach um eine Dichtung, eine Erzählung. Es war vielmehr ein neues Bekenntnis seines Glaubens, eine Verherrlichung Atons und dessen ganzer Schöpfung. Echnaton hatte diesen Gesang nur für sich im Geheimen verfasst und nie mit einem von uns darüber gesprochen. Umso überraschter waren wir, als wir den Lobgesang des Aton zum ersten Mal zu hören bekamen.
Eine riesige Staubwolke hinter sich herziehend, fuhren Echnaton und Nofretete frühmorgens auf dem Prunkwagen vom Nordpalast zum Gempa-Aton, wo die wichtigsten Gefolgsleute das Herrscherpaar bereits erwarteten. Wir folgten Pharao durch die beiden großen Höfe des Tempels, bis wir den dritten, kleineren Hof erreicht hatten. Aus zwölf Opferschalen stiegen Schwaden herrlich duftenden Weihrauchs empor, und auf den Mauern standen Tempelsängerinnen, die jetzt, da das Königspaar die Stufen zu dem kleinen Turm emporstieg, ihre Gesänge anstimmten, leise, zurückhaltend, geradezu unheimlich. Echnaton und Nofretete erwarteten mit uns das Erscheinen Atons, und als er seine ersten Strahlen über den Bergen hervorblitzen ließ, erhob sich Echnaton und trug mit lauter, wohlklingender Stimme seinen Lobgesang Atons vor:
«Schön erscheinst Du
am Horizont des Himmels,
Du lebendige Sonne, die das Leben bestimmt.
Du bist aufgegangen am östlichen Himmel
und hast jedes Land mit Deiner Schönheit erfüllt.
Du bist schön, gewaltig und strahlend,
hoch über allem Land.
Deine Strahlen erleuchten die Länder
bis ans Ende von all dem, was Du geschaffen hast.
Du bist Re, wenn Du ihre Grenzen erreichst
und sie niederbeugst für Deinen geliebten Sohn.
Du bist fern, aber Deine Strahlen sind auf Erden,
Du bist in ihrem Angesicht,
aber unerforschlich ist Dein Lauf.
Gehst Du unter am westlichen Himmel,
so liegt die Welt in Finsternis,
in einem Zustand des Todes.
Die Schläfer sind in der Kammer,
verhüllten Hauptes, kein Auge sieht das andere.
Wird ihnen die Habe unter ihren Köpfen
weggestohlen, sie merken es nicht.
Jedes Raubtier ist aus seiner Höhle gekommen
und alle Schlangen beißen.
Die Finsternis ist wie ein Grab,
die Erde liegt in Schweigen,
denn ihr Schöpfer ist untergegangen am Horizont.
Am Morgen bist Du aufgegangen im Lichtland
und leuchtest als Sonne am Tage.
Du vertreibst die Finsternis
und spendest Dein Licht.
Die Beiden Länder sind täglich im Fest,
die Menschen sind erwacht und stehen auf den Beinen,
denn Du hast sie aufgerichtet.
Sie waschen sich und legen ihre Kleider an,
bei Deinem Erscheinen erheben sie die Arme zum Gebet,
dann tut das ganze Land seine Arbeit.
Alles Vieh ist zufrieden mit seinen Gräsern,
Bäume und Kräuter grünen.
Die Vögel fliegen aus ihren Nestern
und ihre Schwingen preisen Deinen Ka.
Alles Wild tanzt auf seinen Läufen,
alles, was fliegt und flattert, lebt,
wenn Du für sie aufgegangen bist.
Die Schiffe fahren stromauf und stromab,
jeder Weg ist frei durch Dein Erscheinen.
Die Fische im Fluss springen vor Deinem Angesicht und
Deine Strahlen dringen ins Innere des Meeres.
Du bist es, der den Samen sich entwickeln lässt in den
Frauen, der Wasser zu Menschen macht,
der den Sohn am Leben erhält im Leib seiner Mutter
und ihn beruhigt, sodass seine Tränen versiegen.
Du bist eine Amme im Mutterleib.
Du spendest Atem, um alles am Leben zu erhalten.
Verlässt das Kind den Mutterleib,
um zu atmen am Tag seiner Geburt,
dann öffnest Du seinen Mund vollkommen
und sorgst für seine Bedürfnisse.
Das Küken im Ei, das schon in der Schale redet,
Du gibst ihm Luft darinnen, um es zu beleben.
Du hast ihm eine Frist gesetzt,
damit es die Schale zerbricht am Ei.
Es
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