Im Land des Falkengottes. Echnaton
abgewaschen, nicht ausgehackt, nicht mit Gips überschmiert, nicht veranlasst, dass er vergeht. Wenn er vergeht und wenn er verschwindet und wenn die Stele, auf der er ist, verfällt, dann werde ich ihn wiederum erneuern an dieser Stelle, wo er jetzt ist. Die Stadt Achet-Aton soll in Ewigkeit bestehen. Sie soll dauern, bis der Schwan schwarz und der Rabe weiß wird, bis die Berge aufstehen, um zu wandern, und das Wasser bergan fließt. So sei es, und so werde es geschrieben!»
Echnaton nickte immer wieder leicht mit dem Kopf, und bekräftigte so die Worte, die Aper-el in seines Königs Namen gesprochen hatte. Jetzt verließ die königliche Familie ihren Platz und zog sich in das Innere des Palastes zurück. Echnaton und Nofretete gingen allein zu einem geschlossenen Durchgang, der über die Prachtstraße hinweg die beiden großen Palastgebäude miteinander verband. In der Mitte dieses Durchgangs befanden sich nach Norden und Süden zu zwei große Öffnungen, die man auch «Erscheinungsfenster» nannte. Von dort sah das Herrscherpaarjetzt auf all die Untertanen hinab, die den Königsweg, die breite Prachtstraße von Norden nach Süden füllten.
Erst am frühen Nachmittag, als sich wegen der unerträglich gewordenen Hitze die Straßen wieder geleert hatten, bestieg die königliche Familie im Schutz der Leibgarde die Prunkwagen und raste durch die verbliebene Menschenmenge, die noch die Straße säumte, nach Norden in ihren Wohnpalast.
Zehn Tage und zehn Nächte wurde in Achet-Aton der Einzug des Guten Gottes und seiner Familie gefeiert. In allen Palästen, auf den Straßen und Plätzen der Stadt wurde gegessen und getrunken, gesungen und getanzt. Ganze Herden von Rindern und Schafen wurden geschlachtet und gebraten. Immer wieder legten Schiffe an und brachten Bier und Wein, frisches Obst und Gemüse aus anderen Städten, denn Achet-Aton konnte selbst all das noch nicht liefern, was die Feiernden Tag für Tag verzehrten. Es kamen aber auch viele Gäste aus Nord und Süd, um dem König zu huldigen, ihm Geschenke zu bringen, vor allem aber, um ihre Neugier zu befriedigen. Mancher von ihnen beschloss in diesen Tagen wieder zu kommen und für immer hier zu leben, so geblendet wurden sie vom Reichtum, der Schönheit und der Eleganz der neuen Stadt. Freudig zogen sie zum Tempel Atons und brachten zahlreiche Opfergaben dar, bestaunten die Bildnisse Pharaos und seiner Großen königlichen Gemahlin.
Die Menschen, die schon in Waset das Gempa-Aton gesehen hatten, waren den Anblick der verzerrten Figuren gewöhnt. Vielen anderen aber, die aus Men-nefer, aus Achmim oder aus dem Fajum kamen, verschlug es die Sprache. Manche blieben und ließen sich staunend von den Priestern des Aton, ja von jedem von uns, in die Geheimnisse des neuen Glaubens unterweisen, bis sie verstanden, welche Botschaft Echnaton ihnen bringen wollte. Wieder andere standen der neuen Lehre ängstlich und ablehnend gegenüber, dass sie schworen, diese Stadt und ihrenTempel nie wieder in ihrem Leben zu betreten. Sie hatten Angst vor dem Tag, da Echnaton die alleinige Herrschaft über die Beiden Länder antreten würde, denn sie fürchteten, dass er ihnen dann in ihren Städten und Dörfern die gewohnten Gottheiten wegnehmen und durch Aton ersetzen würde. Einer aber, der die neue Stadt Achet-Aton gewiss gern einmal gesehen hätte, lebte nicht mehr: der alte Merire, der Erste Sehende des Re aus On.
ACHT
Siehe, niemand kann seine Habe mitnehmen,
siehe, niemand, der geht, kommt wieder zurück!
J edes Fest nimmt ein Ende und zwingt auch den fröhlichsten Zecher, sich wieder seiner Alltagssorgen anzunehmen. Nun war es aber in Achet-Aton nicht so wie in anderen Städten, wo man einfach wieder an seinen Arbeitsplatz, auf sein Feld, in die Werkstatt oder in den Stall ging, weil ein jeder schon immer wusste, was er zu tun hatte.
Wie anders in Achet-Aton! Wir alle mussten erst lernen, miteinander umzugehen. Jeder musste sich hier darüber im Klaren werden, für wen er eigentlich arbeitete, woher er seine Arbeitsmittel bekam, wohin er seine Ware liefern konnte. Viele wussten noch gar nicht, was sie arbeiten sollten, und lungerten den ganzen Tag nutzlos herum oder kamen auf schlechte Gedanken. So hatten Mahu und seine Polizisten alle Hände voll zu tun, Diebe zu stellen und zu verhaften, flüchtige Sklaven einzufangen und Soldaten zu bestrafen, die Fahnenflucht begangen hatten. Für die Soldaten Haremhabs war das Leben in Achet-Aton besonders hart. Sie,
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