Im Land des Falkengottes. Echnaton
großen Atontempel, damit er vor Übergriffen geschützt war. Zweihundert weitere Soldaten zogen unter der Führung von Aper-el zum Tempel des Amun und zu dessen Gütern und besetzten dort, noch bevor sich die Sonnenscheibe über dem Ostgebirge erhoben hatte, jeden Ausgang. Auch Mahu war jetzt mit fünfzig Polizisten hinzugestoßen. Wie Mahu vorhergesagt hatte, waren die Priester Amuns völlig ahnungslos und zu jeder Art von Gegenwehr gänzlich außerstande.Um die Lage nicht zu verschärfen, schwiegen sie zu allem und fügten sich dem unabänderlichen Schicksal. Nie und nimmer hatten sie trotz all der seit jeher bestehenden Gegensätze zwischen ihnen und ihren Herrschern damit gerechnet, dass Echnaton auch den letzten und endgültigen Schritt wagen würde.
Die Jüngeren von ihnen, die meist einfache Vorlesepriester waren, wurden vor die Wahl gestellt, ob sie künftig im Heiligtum Atons ihren Dienst versehen, oder ob sie zu ihren Familien zurückkehren wollten. Die Oberpriester und die Ersten Sehenden des Amun erhielten ein bescheidenes Landgut mit Dienern, Vieh und ausreichend Saatgut. Allerdings achtete Mahu darauf, dass diese Güter in ausreichender Entfernung von Waset, weit voneinander getrennt und nicht in größeren Städten lagen, damit ihnen so weit wie möglich jede Gelegenheit genommen wurde, Unruhe zu stiften.
Ich selbst glaubte nicht daran, dass sie sich auf Dauer in dieses Schicksal fügen würden. Es war für mich nur eine Frage der Zeit, wann sie wieder zueinander fanden.
Doch war ich erstaunt, wie klaglos die Bewohner von Waset die Schließung des Tempels aufgenommen hatten: Niemand, nicht einer, erhob die Stimme gegen Pharao und seine Soldaten. Die meisten fügten sich ebenso schweigend, wie es die Priester selbst getan hatten. Es waren aber überraschend viele, die mit Freude, sogar mit Häme die Schließung der Tempel beobachteten und die Vertreibung ihrer angestammten Priesterschaft ausgelassen feierten. Es waren jene, die schon immer voll Neid auf den Reichtum Amuns geblickt hatten, die unter der Peitsche seiner Vorarbeiter gelitten hatten oder die sich von ihren Steuereintreibern ungerecht behandelt gefühlt hatten. Deren Großeltern taten es schon, und ihre Eltern ebenso.
Wie einfältig waren doch diese Menschen! Der Reichtum ging nicht verloren; die Schätze Amuns gelangten nur in andere Hände, gehörten einem anderen Besitzer, damit er sie ebensoeifersüchtig hütete. Die Peitsche, die sie und ihre Vorfahren schon immer geschlagen hatte, wurde jetzt nur von einer anderen Hand gehalten, und der Steuereintreiber diente lediglich einem anderen Herrn. Es war jene Sorte von Menschen, die heute ihren Herrn bejubelten, damit sie ihn morgen mit Steinen bewarfen.
ZWÖLF
Wende dich uns wieder zu, du Herr der Ewigkeit,
du warst hier, als noch nichts entstanden war,
und du wirst hier sein, wenn die Zeiten zu Ende sind.
N och während die Priester Amuns die Stadt verließen oder an die Tür des Gempa-Aton klopften, um dort um Einlass zu bitten, verkündeten die Diener Atons dem staunenden Volk die wahre Lehre ihres Pharaos, dass Aton der einzige und alleinige Gott sei und dass es neben ihm keine anderen Götter gab, ja gegeben habe. Echnatons Anspruch auf die alleinige Verehrung seines Vaters Aton ging so weit, dass er jedem Ägypter verbot, das Wort «Götter» überhaupt noch zu benutzen, da es ja nur einen Gott gab und es einer Beleidigung Atons gleichkommen würde, spräche man das Wort «Gott» in der Mehrzahl aus.
So zogen jetzt die Soldaten, Schreiber und Polizisten Pharaos von Stadt zu Stadt, um Tempel für Tempel, Heiligtum für Heiligtum zu schließen und um den Menschen die Botschaft vom einzigen Gott zu verkünden. Nicht einmal vor dem Tempel des Re in On machte Echnaton Halt. Wie gelähmt ließen es alle Priester der Beiden Länder geschehen, denn die Tatsache, dass sich selbst die mächtigen Diener des Verborgenen nicht zu wehren vermochten und dass die Menschen der Vertreibung ihrer alten Götter tatenlos zugesehen hatten, nahm ihnen jeden Mut zum Widerstand.
Echnaton dagegen hatte sein Ziel erreicht: Er hatte – für alle sichtbar und für ihn unumkehrbar – Aton zum einzigen und alleinigen Gott erhoben und ihn an die Stelle einer unübersehbaren Vielfalt von Gottheiten gesetzt.
Doch er beließ es nicht dabei. Sein Groll gegen den verhassten Amun ging so weit, dass er das Andenken an ihn ein für alle Mal auslöschen wollte. Er wollte ihn aus dem Gedächtnis der Menschen
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