Im Land des Falkengottes. Echnaton
Familie und die Großen des Landes und der Stadt im Audienzhof des Stadtpalastes. Der goldene Sarg der Prinzessin und der Schrein mit den vier Eingeweidekrügen ruhten auf den Stufen unterhalb der Throne. Sie waren von einer Vielzahl von Blumengebinden, deren Duft den Hof trotz seiner Größe erfüllte, umgeben. Dann hoben Priester den Sarg und den Kanopenschrein auf zwei hölzerne Schlitten, die jezwei Stiere vor den Palast hinauszogen. Zwischen schreienden Frauen und klagenden Männern hindurch, die die Straßen der Stadt säumten, bewegte sich der Trauerzug langsam zum östlichen Stadttor. Von dort bis hinauf in die Senke des östlichen Gebirges, wo das Grab Echnatons lag, wurde der Sarg von Pharaos Lieblingstochter getragen. Der Weg war nicht weit, und so brauchten wir weniger als zwei Stunden, bis wir vor dem Eingang des Felsengrabes standen. Wie schon bei Kija, so fand auch bei Maketaton das Ritual der Mundöffnung nicht statt, es gab keine Gebete aus dem Totenbuch und dem Amduat, nur Weihrauch stieg am Eingang des Grabes zum Himmel empor, als sollte er die Seele der kleinen Prinzessin emportragen zu Aton. Der Sarg wurde noch einmal geöffnet, und als Echnaton und Nofretete die goldene Maske mit dem Antlitz ihrer Tochter sahen, begannen sie noch einmal laut zu weinen, erhoben klagend die Hände zum Himmel und legten schließlich zwei kleine Blumenkränze auf den Kopf Maketatons, ehe der Sarg wieder verschlossen wurde. Dann trugen sie ihn zum Eingang des Grabes und legten ihn dort nieder.
Zwischen zwei Treppen führte eine Rampe hinab bis zu einer kleinen Plattform. Auf dieser Rampe wurde der Sarg in die Tiefe hinabgeschoben, und die Arbeiter der Totenstadt hatten alle Mühe, dass er ihnen nicht entglitt. Dann folgte ein sehr breiter, abfallender und unbemalter Korridor, der wiederum auf einer Plattform endete. Dort lag zur rechten Seite der Eingang zu den Sargkammern der königlichen Familie, während geradeaus eine steile Treppe nach unten führte zu dem Grab, das einst für Echnaton und Nofretete selbst vorgesehen war.
Die erste der drei Grabkammern war mit Abbildungen der königlichen Familie dekoriert. Man sah das Herrscherpaar mit seinen Töchtern unter dem Strahlenaton, wie sie Opfer darbrachten und mit hocherhobenen Händen den einzigen Gott priesen. Zwei schmale Durchlässe an der Rückwand führten von dort in eine zweite, noch undekorierte Kammer, an derenrechter Wand der Zugang zur dritten Grabkammer lag, in welcher Maketaton ruhen sollte. Die Wände waren bemalt, und sie zeigten den kleinen, leblosen Körper der Prinzessin auf einer Bahre und davor Nofretete und Echnaton. Es war ein rührendes Bild, wie Echnatons linker Arm nach hinten griff und Nofretetes Hand umklammerte, Hilfe suchend und gleichzeitig die Gemahlin tröstend. Beide waren von Gram niedergebeugt und hielten die rechte Hand an den Kopf, um ihren Schmerz und ihre Trauer zu zeigen. Daneben standen Meritaton und die kleinen Prinzessinnen, dazu eine Vielzahl trauernder Höflinge.
Die Abbildung war ein großer Beweis der Liebe Echnatons zu Nofretete, denn in Wahrheit war Pharao allein, als er Maketaton tot im Garten aufgefunden hatte und sie anschließend im Palast aufgebahrt worden war. So aber wurde Nofretete im Grab ihrer Tochter von Anfang an in das vollständige Leid der Familie mit einbezogen. An einer zweiten Wand war die Grablegung Maketatons abgebildet, und zwischen all den Trauernden der königlichen Familie erkannte ich trotz des spärlichen Fackellichts den kleinen Tutanchaton auf den Armen seiner Amme Maj.
Der kleine Sarg wurde in den Steinsarkophag hinabgelassen. An seinen Ecken wachten nicht wie früher Isis, Selket, Neith und Nephthys mit ausgebreiteten Armen über die Tote, sondern es waren je zwei Abbildungen von Echnaton und Nofretete, die ich dort sah. Als der schwere Steindeckel auf den Sarkophag geschoben worden war und als die Siegel angebracht waren, betete Echnaton mit leiser, ruhiger Stimme für seine Tochter den Sonnengesang, die Priester hüllten ein letztes Mal den kleinen Raum in dichte Schwaden von Weihrauch, und wir legten geflochtene Blumenkränze auf dem Sarkophag nieder, ehe wir schweigend und bedrückt das Grab wieder verließen.
Nofretete blieb nicht mehr lange in der Stadt. Wer geglaubt hatte, der Tod Kijas und vor allem der Tod Maketatons hätten in Echnaton eine Wandlung bewirkt, ihn gar zur Aufgabe all seinerPläne bewegt, sah sich getäuscht. Mehr denn je waren sich die beiden Herrscher
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