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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Truhe und las darin.
    «Du hast Recht, Amenophis, Schrift und Sprache passen nicht mehr zusammen», sagte Nofretete, ohne ihre Blicke von dem Schriftstück abzuwenden. Dann las sie laut weiter.
    «Nach dem Abendbrot war es, die Nacht war gekommen. Ich hatte mir eine Stunde der Erholung genommen, indem ich auf meinem Bett lag. Denn ich war müde, und mein Herz hatte begonnen, meinem Schlummer zu folgen. Da wurden die Waffen gegen mich gewendet, die mich beschützen sollten, während ich unbeweglich dalag, still, wie eine Schlange in der Wüste. Ich erwachte durch den Kampf, war gleich ganz bei mir und erkannte, dass es ein Handgemenge der Wache war. Wenn ich die Waffen schnell ergriffen hätte, dann hätte ich die feigen Mörder zurückgetrieben – aber es gibt keinen, der des nachts stark ist, keinen, der allein kämpfen kann, keine Tat ist erfolgreich ohne einen Helfer.»
    «Was Ihr gerade gelesen habt, Majestät, wurde vor mehr als sechshundert Jahren niedergeschrieben. Es ist die Weisheitslehre für Sesostris, den Sohn des ermordeten Pharao Amenemhat.»
    Nafteta rollte den Papyrus wieder zusammen, verknotete vorsichtig das Band, das ihn umgab, und legte ihn ehrfurchtsvoll in die Truhe zurück.
    «Ihr habt gewiss von meinem Tempelbau erfahren, Merire», begann nun Pharao und sah den alten Priester erwartungsvoll an.
    «Man erzählt sich viel in On, Majestät. Aber gewiss werdet Ihr mir jetzt alles wahrheitsgemäß und ausführlich berichten.»
    Amenophis Waen-Re schilderte Merire den Tempelbau in allen Einzelheiten. Zuletzt schwieg er für einen kurzen Augenblick, dann fuhr er fort: «Das Gempa-Aton muss aber auch mit Leben erfüllt werden, Merire. Einige Priester, die bisher Amun, Chons oder Hathor dienten, konnte ich schon in Waset für den Dienst an Aton begeistern. Doch die Ersten Sehenden sollen aus On, sollen aus Deinem Tempel kommen.»
    «Ich bin mir nicht sicher, ob ich das als eine große Ehre für uns verstehen soll oder als eine Art Heimsuchung.»
    Der Alte lächelte und zeigte dabei die wenigen Zähne, die ihm noch geblieben waren. Ihm war bewusst, dass sich wohl kein anderer Priester eine derartige Bemerkung hätte erlauben dürfen.
    «Der Sonnenglauben wird neu erstehen, Merire. Ich werde für Aton im ganzen Land Tempel errichten, von den südlichsten Grenzen Ägyptens bis zur Flussmündung im Norden. Und dazu benötige ich Priester, die mit den Geheimnissen und den Lehren des Re vertraut sind, die die Sonne in Gestalt des Aton lieben und verehren. Die bereit sind, das vertraute On zu verlassen, um die Botschaft Atons überall in den Beiden Ländern zu verbreiten.»
    «Ihr denkt dabei hoffentlich nicht an mich, Majestät», sagte Merire, und sein Gesichtsausdruck war jetzt wieder sehr ernst, ja besorgt. «Ich bin ein uralter Mann und lebe seit über fünfzig Jahren hier in diesen Mauern. Einen so alten Baum wie mich verpflanzt man nicht mehr, sei es auch noch so gut gemeint.Ihr würdet mich umbringen, ohne Euch dabei genützt zu haben.»
    Merire schwieg, und seine Augen starrten ohne Ziel in den Raum, unendlich weit weg. Seine knochigen Finger waren zu einer kleinen Faust geballt. Mit der Rechten stützte er sich ein wenig auf dem Tisch ab, neben welchem er stand, und mit der Linken schlug er sich zwei-, dreimal gegen den Oberschenkel und atmete dabei schwer durch.
    «Wäre ich nur zwanzig Jahre jünger», mag er sich gedacht haben, aber wie alle weisen Männer sagte er kein Wort und sah nur weiter traurig in die Ferne.
    «Ich weiß, Merire», unterbrach Pharao die Stille, «dass Euch kein Palast und kein Reichtum umstimmen können. Ich werde Euch auch nicht befehlen, mit mir nach Waset zu kommen, um dort der Erste Sehende des Aton zu sein. Ihr sollt aber wissen, dass Ihr es seid, den ich mir vor allen anderen in diesem Amt gewünscht hätte.»
    Der alte Priester sah Pharao mit weit geöffneten Augen an, dann ergriff er langsam, ja bedächtig mit beiden Händen die Rechte seines Herrschers, zog sie ein wenig zu sich heran, beugte sich nach vorn und küsste Pharaos Ring. Als er sein Haupt wieder erhoben hatte, standen Tränen in seinen Augen.
    Ganz leise und mit belegter Stimme sagte Merire: «Ich danke Euch, Majestät. Ich danke Euch für Eure Worte, und ich danke Euch dafür, dass ich hier bleiben darf. Seid Euch aber gewiss, dass ich Euch die weisesten und die treuesten Priester vorschlagen werde, damit Ihr unter ihnen aussuchen könnt, wen Ihr mit Euch nehmen wollt.»
     
    So geschah es. Drei

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