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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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ob Kaufmann oder ob Mächtiger am Thron des Guten Gottes, denen bot Waset mehr, als es sich die menschliche Phantasie vorzustellen erlaubte. Nie vergesse ich die Tage an der Seite Nimurias, als er der Stadt zu neuem Glanz verhalf, der alles davor und danach erblassen ließ. Nirgendwo anders gab es prächtigere Götterprozessionen. Nirgendwo anders standen größere und prächtigere Tempel und Paläste, und nirgendwo anders aß, trank und liebte man so ausgelassen wie hier.
    Als alter Mann kehrte ich nun nach Waset zurück und durfte darauf hoffen, im Dienst des jungen Herrschers zu arbeiten, zu essen und zu trinken.
     
    Zwei Tage vor unserer Ankunft hatte Haremhab Eilboten nach Waset geschickt, damit sie die bevorstehende Ankunft Tutanchatons meldeten. Auf dem Nil nahmen schnelle Kriegsschiffe den kürzesten Weg zu Aper-el, der für unseren Empfang verantwortlich war, und an Land rasten Soldaten in Streitwagen nach Süden, damit das Volk entlang des Flusses dem Herrscher einen würdigen Empfang bereiten konnte.
    Das Gedränge am Ufer wurde immer dichter, je näher wir der Stadt kamen. Schwärme von Fischerbooten umschwirrten die königliche Flotte, obgleich die Kommandanten unserer Schiffe schreiend und fuchtelnd bemüht waren, sie auf Abstand zu halten, damit niemand Seiner Majestät zu nahe kommen konnte. Aber überall sah man auf den Gesichtern der Menschen die Freude über die Ankunft des Guten Gottes, mochte er auch noch so jung sein. Vielleicht waren es gerade das Alter Tutanchatons und dessen kindliches, noch so natürliches Benehmen, was die Menschen anzog. Da thronte eben nicht ein übermächtiger Herrscher unter dem Baldachin der königlichen Barke, sondern ein noch sehr junger Horus, ein Kind, das ihnen fröhlich zulachte und das beinahe jeden Gruß, welcher ihm von einem der Fischerboote oder vom Ufer zugebracht wurde, mit freundlichem Winken erwiderte. Räuber wurde die Aufregung unheimlich, und als müsste er seinen Herrn vor den vielen Winkern und Rufern verteidigen, lief er laut bellend an der Reling auf und ab, sodass bald keiner mehr sein eigenes Wort verstand.
    «Komm her, Räuber, und mach nicht solchen Lärm!», rief Nassib seinem Hund zu, doch ausnahmsweise gehorchte dieser nur unwillig. Es brauchte noch ein paar deutliche Befehle, ehe das Tier wieder zu Füßen Tutanchatons lag.
    Es war nicht mehr weit. Man erkannte es daran, dass die ganze Mannschaft, vom Kommandant bis hin zum letzten Ruderer, frische Schurze trug und dass eine aufgeregte Betriebsamkeit herrschte, von der sich jeder außer Tutanchaton anstecken ließ. Man erkannte es daran, dass ein letztes Mal vor der Ankunft alle Taue und Ruder überprüft und ausgebessert wurden, und ich war mir sicher, dass sich auch das Segel mächtiger aufblähte als sonst auf unserer Fahrt.
    Die Leibdiener hatten schon früh am Morgen damit begonnen, ihren Herrn für die Ankunft vorzubereiten. Noch einmal wurden die Haare geschnitten und sorgfältig gekämmt, wurden ihm ein üppig gefältelter Schurz und ein breiter Schulterkragenangelegt und das blau und weiß gestreifte Nemeskopftuch sowie das Diadem mit Kobra und Geier aufgesetzt. Um seine Augen trugen sie dunkelgrüne Farbe auf und verlängerten die fein säuberlich gezogene Linie bis an die Schläfen. Tutanchaton trug weit herabhängende goldene Ohrringe und an beiden Oberarmen Armreife mit Einlegearbeiten aus Karneol, Lapislazuli und buntem Glasfluss. Dann nahm er unter dem großen Baldachin vor dem Deckshaus Platz. Seine Füße, die in vergoldeten Ledersandalen steckten, ruhten auf einem Fußschemel, und in seinen Kinderhänden hielt er Geißel und Krummstab, die eigens passend zu seiner Körpergröße angefertigt worden waren.
    Jetzt war auch ihm die Aufregung anzumerken, denn unruhig suchten seine umherhuschenden Augen nach vertrauten Gesichtern, und immer wieder nickten ihm Ipu oder ich zu, gleichsam als wollten wir ihm versichern, dass er nicht allein war.
    «Ist Waset größer als Achet-Aton?», fragte er mich ganz leise, als ob es ihm unangenehm war, dass ein anderer seine Frage hörte.
    «O ja, Nassib», gab ich zur Antwort. «Waset ist bei weitem größer. Vielleicht nicht in seiner Ausdehnung. Aber hier leben weit mehr Menschen als in der Stadt deines Vaters.» Er sah nachdenklich nach unten auf seine Zehen, die er spielerisch in seinen Sandalen hin und her bewegte.
    «Eje», flüsterte er jetzt und sah bekümmert wieder zu mir auf.
    «Ja, Nassib», sagte ich ebenso leise und wartete

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