Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
mal tausend, dachte ich bei mir und lächelte in mich hinein, während ich vergnügt beobachtete, wie die dunklen Augen des Jungen aufgeregt über die Gesichter seiner Zuhörer hin und her huschten, als gelte es, darüber zu wachen, dass ihm jeder aufmerksam zuhörte.
«Konntest du schon etwas über den Tod Nofretetes und der Kinder erfahren?», fragte mich Baki, als wir das Haus verließen, um wieder zum Hafen aufzubrechen.
«Man hat mir nur berichtet, wie grausam sie ermordet wurden. Anchesen-paaton hat aus einem Versteck heraus zugesehen, wie man ihre Schwestern und deren Dienerinnen erwürgt hat. Sie ist darüber krank geworden, Baki. Waset, so schön es auch sein mag, war schon immer ein Schlangennest. Ich weiß nicht, ob ich die Mörder meiner Tochter und ihrer Kinder finden werde.»
«Es wird viel davon abhängen, ob du erfährst, warum sie sterben mussten. Wenn du den Grund ihres Todes erfahren hast, wird der Weg zu den Mördern nur noch kurz sein», sagte Baki, griff nach meinem Arm und drückte fest zu, als wollte er mich in meinem Vorhaben bestätigen. Dann fuhr er fort: «Vielleicht kennst du ihre Mörder oder jene, die hinter ihnen stehen, sogar. Dann wirst du viel Kraft brauchen, damit fertig zu werden. Gib auf dich Acht, Eje!» Dann umarmte er mich, drückte mich zum Abschied fest an sich, und nach einem kurzen Lebewohl trennten wir uns.
Ich dachte auf unserer Weiterfahrt nach Waset noch lange über die Worte Bakis nach, und der Gedanke, unter diesen ruchlosenMenschen könnten wirklich Bekannte oder Freunde sein, ließ mich erschaudern. Jeden Einzelnen von ihnen, der zuletzt in Waset gelebt hatte, unterzog ich im Geiste einem strengen Verhör, fragte ihn danach, wo er gewesen war, was er zuletzt getan und mit wem er in Verbindung gestanden hatte, als die grausige Tat geschah.
«Woran denkst du?», fragte mich Nassib, denn auch dem Jungen war es nicht entgangen, dass ich in meinen Gedanken weit weg war und es für ihn wahrhaft keine Ruhmestat war, mich ein ums andere Mal im Senet zu besiegen.
«Ich bin einfach nur ein wenig müde», log ich und bat ihn, mich für eine Weile unter den Baldachin am Heck des Schiffes zu entlassen, damit ich mich dort ausruhte.
«Eje gibt sich geschlagen», sagte Nassib zu Räuber, der zwischen den Beinen des Jungen saß und jetzt freudig mit dem Schwanz wedelte, weil er merkte, dass sein Herr mit ihm gesprochen hatte. Zum Dank für die Aufmerksamkeit leckte der Hund obendrein liebevoll über dessen Arm. Es würde gewiss nicht lange dauern, und Tutanchaton würde sein nächstes Opfer gefunden haben, das sich wieder und wieder geschlagen geben musste, nicht, weil man den Herrscher selbst im Senet nicht besiegen durfte, sondern weil es keiner besser konnte.
Wie viele mochten es gewesen sein? Nur die wenigen, die Anchesen-paaton aus ihrem Versteck heraus beobachtet hatte, oder war es ein Verrat vieler, den es aufzudecken galt? Sollte es mir und Haremhab wirklich gelingen, eine ganze Verschwörung aufzudecken, würde die Herrschaft des jungen Horus mit einem Blutbad beginnen. Denn darüber, dass die furchtbare Tat gesühnt werden musste, gab es nicht den leisesten Zweifel. Bei niemandem. Ob meine Tochter die rechtmäßige Herrscherin war oder nicht – Königsmord und die Ermordung von Kindern waren die schändlichsten aller nur denkbaren Verbrechen! Verhaftungen, Folter, Prozesse und Urteile und zuletzt deren Vollstreckung würden folgen müssen. Aber es würde unausweichlich sein, waren erst einmal Täter überführt. Auch das war einGebot der Maat, unserer göttlichen Ordnung: Verbrechen zu sühnen.
Haremhab hatte mir zwar berichtet, dass Nofretete als eine ihrer letzten Amtshandlungen die Rückkehr der Amunpriester gestattet hatte. Was aber wäre, wenn gleichwohl sie für das Morden verantwortlich waren? Wer hätte die Macht und den Mut, sie zur Verantwortung zu ziehen? Wer wäre so waghalsig, vielleicht so wahnsinnig, dies zu tun? Einzig Nimuria hätte die Macht besessen, sie zu vernichten, sie für immer auszulöschen. Doch selbst er hätte es nicht getan, denn er wusste, dass es Armeen gibt, die man nicht besiegen kann. Soldaten stellen sich dem Kampf. Mann gegen Mann. Eine Armee von Fliegen bekommt man nicht in den Griff. Fliegen sind unscheinbar und haben keine Waffen. Sie sind schnell und wendig und fürchten dennoch den größten Feind nicht. Schlage von ihnen tot, so viele du willst: Immer wieder kehren sie ohne Furcht vor der Größe ihrer Opfer
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