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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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zurück, um sie zu belästigen und so lange zu quälen, bis diese weichen und sich einen anderen Platz suchen, wo sie von den winzigen Angreifern unbehelligt bleiben. Nicht umsonst ist die höchste militärische Auszeichnung Ägyptens die Goldene Fliege.
    «Gnädiger Aton», seufzte ich leise vor mich hin. «Lass es nicht die Diener Amuns gewesen sein! Es wäre das Ende Ägyptens.»
    Wäre es dann nicht richtiger, dass die Täter für immer verborgen blieben, dass ich meine Bemühungen, sie zu finden, in Grenzen halten oder gar bewusst ins Leere laufen lassen sollte? Dann würde ich wie Amenophis Neb-maat-Re und wie meine Schwester Teje für immer in Ungewissheit leben. In der Ungewissheit darüber, wer für das Schicksal meiner Tochter und meiner Enkelinnen die Verantwortung trug.
    Die Ente auf der Sandbank, an welcher unser Schiff gerade vorüberglitt, konnte von ihrem Ende nichts geahnt haben. Das Wurfholz Tutanchatons brach ihr in einem Wimpernschlag das Genick. Die zwei, drei Flügelschläge, die ihr das Leben noch gelassen hatte, beförderten den jetzt so nutzlosen Körper insWasser, wo er bald darauf geradewegs im aufgesperrten Rachen eines faul im Wasser treibenden Krokodils endete. Es brauchte den unverhofften Braten nur noch zu verschlucken.
    Ich zwang mich, meine Gedanken auf andere, erfreulichere Dinge zu lenken, denn unsere Ankunft in Waset war nicht mehr fern. Tutanchaton sollte mit Freude und umgeben von Freunden und treuen Dienern dort Einzug halten und nicht im Kreis sorgenvoll dreinblickender, bekümmerter Männer. Immer wieder holte ich meine Aufzeichnungen von der bevorstehenden Krönungsfeierlichkeit hervor und ging mit Nassib Schritt für Schritt alle Wege durch, schilderte ihm, was geschehen würde, was er zu tun hatte und wer ihn dabei begleiten würde. Ich beschrieb ihm das Innere des Amun-Tempels und wusste doch selbst nicht, ob alles noch so aussah wie einst. Ich schilderte, wie die Doppelkrone, die er bald tragen würde, aussah, und hoffte, dass die Goldschmiede Pharaos in der Kürze der Zeit eine Krone geschaffen hatten, die auf den Kopf des Knaben passte.

NEUN
    Wir musizieren für dich,
    wir tanzen für deine Majestät,
    wir preisen dich bis an die Höhe des Himmels.
     
    W elche Schicksale hatte diese Stadt in ihrer tausendjährigen Geschichte schon erlebt! Generationen von Herrschern sah sie kommen und gehen. Sie sah herab auf Menschen einfacher Herkunft, die aufstiegen in Schwindel erregende Höhen der Macht. Und sie sah auf Männer, die aus den höchsten Ämtern hinabstürzten in die Tiefen des Nichts, die man in die Verbannung schickte oder hinrichtete und deren Andenken man auslöschte für alle Ewigkeit. Nur sie blieb immer dieselbe: die mächtigste und reichste Stadt der Beiden Länder, die «hunderttorige Stadt», wie sie die Mykener und Trojaner nannten, das Schlangennest, als welches Nimuria und ich sie vorfanden. Wer hier aus der Masse der Niemande heraustreten und nach oben gelangen wollte, dorthin, wo Macht über andere ausgeübt wurde, musste nicht nur fleißig sein wie ein ganzer Korb Bienen, nicht nur gerissen wie zehn Wüstenfüchse, der musste sich auch winden können wie eine Schlange. Unauffällig, unhörbar, aber geschwind. Zudem musste er zubeißen können wie eine Kobra, schnell und tödlich, wenn es darum ging, die Gunst der Stunde zu nutzen. Schließlich brauchte er jemanden über sich, dem er im rechten Augenblick auffiel. Dieses alles entscheidende bisschen Glück brauchte jeder von ihnen. Wenn er aber einmal aufgefallenwar und einmal nur um eine Stufe nach oben gehoben wurde, dann konnte es sein, dass sein Aufstieg unaufhaltsam war. So wurden einfache Schreiber zum Ersten Schreiber Seiner Majestät, Kaufleute zu Aufsehern über alle Schatzhäuser, ein unbedeutender Wundarzt zum engsten Vertrauten Pharaos. Mancher Wesir begann so seine Laufbahn.
    Die aber schon in goldenen Betten geboren wurden, konnten sich – Aton weiß es – nicht sicher sein, dass sie einst auch in einem solchen sterben würden. Kannte ich nicht selbst manchen, dem seine Habgier zum Verhängnis geworden war? Hatte der Grabenmeister Intef nicht schon in Wohlstand und Glück gelebt, ehe er begann, den Guten Gott zu betrügen? Hatte es der Bürgermeister Neferhotep wirklich nötig, Pharao zu bestehlen? Und Sethi, der Vorsteher der Kornspeicher Seiner Majestät? Welch erbärmlichen Tod mussten sie sterben für ihre Raffsucht! Die es aber verstanden zu leben, gleich, ob einfacher Handwerker,

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