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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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ägyptischen Untertanen dem Herrscher ihre Geschenke überbrachten. Sie schenkten ihm unzählige Trinkbecher aus Alabaster, Zierdolche und Wurfhölzer jeder Art und natürlich Pfeil und Bogen in allen nur erdenklichen Größen und Macharten, denn die Leidenschaft des Jungen für Jagd und Waffen hatte sich längst herumgesprochen.Von dem alten Bildhauer Thutmosis bekam er ein ganz besonderes Geschenk: Es war eine aus Gips angefertigte, lebensgroße Büste des jungen Königs, dessen Antlitz ganz nach dem wahren Äußeren des Jungen gebildet war. Auf dem Kopf saß eine der unterägyptischen Krone nachgebildete, oben abgeflachte Kopfbedeckung, an deren Vorderseite Geier und Kobra prangten. Der Gesichtsausdruck war nicht herrschaftlich würdevoll, sondern freundlich, ja fröhlich.
    «Könnt Ihr Euch vorstellen, Majestät», fragte Thutmosis den sichtlich verwunderten Tutanchaton, «wozu diese Büste dient?»
    «Nein, Thutmosis», antwortete Nassib nur knapp und zog die Augenbrauen erwartungsvoll nach oben.
    «Diese Büste dient einzig dazu, dass Ihr allabendlich Euren Halskragen um ihren Hals legen könnt. Und damit Ihr seht, dass ich das ernst meine, ließ ich eigens für diesen Abend einen Blütenkragen flechten. Seht selbst!»
    Thutmosis reichte die Büste seinem Diener und legte einen Blütenkragen um ihren Hals. Der Diener hielt die Büste so vor seinen Körper, dass sie sein Gesicht verdeckte und man aus einiger Entfernung glauben mochte, ein in die Länge geschossener Tutanchaton stehe vor einem, so täuschend ähnlich war die Büste gefertigt.
    Der Schiffsbaumeister Meru, der inzwischen ein uralter Mann war, schenkte seinem Herrn drei Schiffsmodelle, die je zwei Ellen lang und bis in jede Kleinigkeit großen Schiffen nachgebaut waren. Es handelte sich aber nicht um vollständige Nachbauten von Schiffen, die es schon gab, sondern es waren Entwürfe des alten Mannes, die er so noch nie verwirklicht hatte.
    Er ging in die Hocke, hielt Nassib das erste der Schiffe entgegen und sagte: «Wenn Ihr mir sagen könnt, Majestät, wo sich die untere Rah befindet, dürft Ihr es behalten!»
    Nassib zögerte keinen Augenblick und zeigte auf die beiden am Masten zusammengebundenen Stangen, an denen der untere Rand des Segels befestigt war. Meru nickte zufrieden.
    «Und könnt Ihr mir auch noch den Achtersteven zeigen?»
    «Wenn du nicht mehr verlangst», gab Nassib selbstsicher zurück und zeigte auf das zu einer Lotosblüte geformte und nach innen gebogene Ende des Schiffes.
    «Und wenn Ihr mir noch sagen könnt, was ein Freibord ist und wo ich ihn finde, habe ich noch eine Überraschung für Euch!»
    Tutanchaton sah etwas nachdenklich nach oben, als ob er von dort Hilfe erwartete, legte den Zeigefinger seiner Rechten an die Unterlippe, und kurze Zeit später hatte er die Antwort parat: «Als Freibord bezeichnet man den Abstand zwischen der Wasseroberfläche und dem Deck.»
    Dabei deutete er mit der flachen linken Hand vor dem Schiffsmodell die zu denkende Wasseroberfläche an und hielt Daumen und Zeigefinger so darüber, dass die Spitze des Zeigefingers auf das Deck zeigte.
    «Ha!», setzte der Junge laut nach, ohne sich dabei um Würde und Zurückhaltung eines Pharao zu scheren. «Was ist es nun, was du noch für mich hast?»
    Meru verzog seinen Mund zu einem breiten Lächeln und zeigte dabei sein lückenhaftes Gebiss. Dann sagte er langsam und bedächtig: «Es ist genau fünfzigmal so groß wie dieses Modell, heißt ‹Der Aton erstrahlt an jedem Tag› und liegt draußen im Hafen!»
    Tutanchaton hatte vom ersten Tag an, an dem er den Schiffsbaumeister Meru kennen gelernt hatte, größte Hochachtung vor ihm. Aber die Freude über dieses Geschenk ließ ihn hochspringen und Meru, der immer noch niedergehockt vor seinem Herrn stand, fest umarmen.
    «Morgen fahren wir damit zum südlichen Tempel, sodass alle mein neues Schiff sehen können!», rief der Junge aufgeregt. Dann nahm er das Modell aus den Händen Merus und besah es sich noch eine Weile, bis ich ihm Zeichen gab, sich jetzt auch der anderen Gäste und ihrer Geschenke anzunehmen.
    Darunter waren kleine und kunstvoll gefertigte Lederhandschuhe, wie man sie zum Wagenlenken benutzt, ein Kästchenaus Elfenbein für Schreibbinsen und Farbe, ein Fächer mit einem abgewinkelten Griff, an dessen Ende eine goldene Lotosblüte saß, in welcher Straußenfedern steckten, und eine Spiegelschachtel in Gestalt des Lebenszeichens, des Wortes «Anch», aus vergoldetem Holz mit Einlagen

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