Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Freundes erinnert, der einsam und in Verzweiflung sterben musste. Es ist jetzt keiner mehr da, der dienen kann dem König, meinem Herrn, wie unsere Väter früher. Mögen Dich Deine Götter beschützen Millionen von Jahren!»
Der Bote Königin Sarrumas kniete vor Tutanchaton nieder und überreichte ihm die Schatulle. Zögerlich nahm dieser sie entgegen, öffnete sie und entnahm den Ring. Lange und schweigend sah er ihn an, aber den Inhalt der Worte, die der Bote zu ihm gesprochen hatte, verstand er nicht recht. In diesem Augenblick war ich erleichtert darüber, dass Tutanchaton noch so jung war.
Es herrschte betretenes Schweigen am ganzen Hof, denn alle hatten die Worte des Boten gehört und sich mit Scham der vielenHilferufe erinnert, die Tuschratta an Echnaton und Nofretete gerichtet hatte. Mir schnürte es die Kehle zu, und ich erinnerte mich daran, wie ich selbst vor meiner Tochter gestanden und sie vergebens um Hilfe für unsere Freunde gebeten hatte.
Über den Kopf Pharaos hinweg sah mir Haremhab lange und eindringlich in die Augen. In seinen Blicken erkannte ich sein Verlangen, ja seine Gier nach Rache für die Schmach, die Rib-Addi und Tuschratta angetan worden war. Er sollte sie haben. Ich nickte ihm zu, ohne dass irgendeiner um uns herum geahnt hätte, welche Bedeutung diese unscheinbare Geste hatte.
Schweigend verließ der Bote des einst so mächtigen Königreichs Mitanni, das die Hethiter niedergeworfen hatten, den Audienzhof, und niemand fragte ihn danach, wohin er ging.
Aus dem fernen Hattuscha trat diesmal kein Bote vor unseren Herrscher, um ihm die Grüße Suppiluliumas und dessen Geschenke zu bringen. Ich bin mir sicher, dass Haremhab den abgeschlagenen Kopf des Boten an dessen Herrn zurückgeschickt hätte.
Bis zum Abend hatten die meisten bereits vergessen, was geschehen war, und genossen das Fest, das Aper-el für seinen Herrscher vorbereitet hatte, mit allen Sinnen. Kurz bevor der Jasmin verblüht, ist sein Duft am süßesten, und er hat etwas Herbes und Schweres an sich. Aber es ist dieser Duft, der die Sinne am meisten berauscht, und für ihn hatte sich Aper-el entschieden. Es gab viele Blumen und Sträucher, die jetzt in voller Blüte standen und die die Gedanken verführten bis hin zu sündigen Trugbildern. Aber es gab keine andere Blüte, die so viel vermochte wie die des Jasmin. Kleine, weiße Sterne sind es nur, mit einem sattgelben, kreisrunden Fleck in ihrer Mitte, doch die Wirkung, die von ihnen ausgeht, übertrifft die kühnsten Zaubermittel eines jeden Magiers.
Aper-el beließ es freilich nicht bei Jasmin. In den Wasserbecken des Palastes und in unzähligen Vasen verbreiteten Lotosblüten ihren lieblichen, unschuldigen Duft, der sich hier undda mit dem des Jasmin auf das Eigenartigste vermischte, sodass man weder die eine noch die andere bestimmen konnte, bis man wieder in einen Bereich eintrat, in dem nur Jasmin oder nur Lotos die Vorherrschaft hatte.
Die Frauen und Mädchen versuchten, den betörenden Duft durch die Schönheit ihres eigenen Äußeren zu übertreffen, und manch einer von ihnen gelang es auf das Verführerischste. Sie trugen hauchdünne, weiße Gewänder mit Schärpen und Bändern in grellbunten Farben, Perücken mit eingeflochtenen Glasperlen und Blüten von Lotos und Kornblumen. Vorn und an der Seite war das Haar kurz, sodass die Schönheit ihrer Gesichter und die schlanken Hälse unverhüllt blieben. Jede trug den kostbarsten Schmuck, den sie nur aufbieten konnte, und die jungen Frauen, die sich der Makellosigkeit ihres Körpers bewusst waren, die um die Reize ihrer schlanken Hüften und festen Brüste wussten, genossen es sichtlich, wenn sie die Blicke der Jünglinge auf sich zogen. Es waren viele noch sehr junge Mädchen im Saal, die meisten von ihnen keine zehn Jahre alt, denn jeder der Fürsten Ägyptens hoffte, dass die Blicke des jungen Herrschers gerade auf seine Tochter fallen würden, war doch für alle offenkundig, dass Anchesen-paaton nur deshalb zur Großen königlichen Gemahlin erhoben worden war, um den Geboten der Maat gerecht zu werden, und nicht, um mit Pharao die Ehe zu vollziehen und ihm einen Thronfolger zu schenken. Aber Nassib hatte mit seinen weniger als neun Jahren kaum ein Auge für die jungen Schönheiten. Gleichwohl entging mir nicht, dass seine Blicke, wenn auch unauffällig und verstohlen, hin und wieder an den Brüsten der nicht mehr ganz so jungen Mädchen haften blieben.
Jetzt war es auch an der Zeit, dass die
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