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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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versuchten, sie festzuhalten und an sich heranzuziehen. Als schließlich die Jünglinge friedfertig wie kleine Kinder und mit geschlossenen Augen in den Armen der Geliebten lagen, endete sanft und leise auch die Musik. Ihr Tanz hatte mich nachdenklich gestimmt, musste doch der Betrachter selbst entscheiden, ob der Krieger friedlich geworden und in den Armen der Liebsten liebend und geliebt eingeschlafen ist oder ob es der Tod selbst war, der den Jüngling zu sich gelockt und in eine stillere Welt geholt hat. Es blieb uns aber nicht viel Zeit, über den Sinn dieses Tanzes nachzudenken, denn jetzt kamen endlich die Griechen.
    «Pass auf!», flüsterte ich Nassib zu, der unentwegt von den gesalzenen Pistazien, die Haremhab eigens für die Krönungsfeier aus Syrien hatte kommen lassen, naschte.
    Sie beeindruckten schon durch ihr Äußeres, das zumindest für die feinere Gesellschaft Ägyptens unvorstellbar gewesen wäre. Ihre beneidenswert schlanken und muskulösen Körper waren stark behaart, und niemals wäre ein Grieche dem Gedanken verfallen, sich dieses unschickliche Gekräusel, das sie für einen besonderen Ausbund an Männlichkeit hielten, abrasieren zu lassen. Mehr noch: Sie alle trugen dichte, schwarze Bärte,und ihr Haupthaar, meist noch geölt, fiel in langen Strähnen oder in wallender Lockenpracht weit über ihre Rücken hinab. Die Griechen wussten nur zu gut, dass wir sie dafür als unfeine Leute belächelten, so wie sie sich über uns als rasierte Weichlinge lustig machten. Doch Reinlichkeit hat wohl nichts mit Verweichlichung zu tun.
    Ihre Aufführungen waren jedoch von bemerkenswerter Anmut, denn kaum ein anderes Volk verstand es, sich so waghalsig und doch so geschmeidig wie Katzen zu bewegen. Erst führten sie einen Schwerttanz auf, in dessen Verlauf wir einige Male den Atem anhielten, da wir fürchteten, der eine würde dem Hieb des anderen nicht mehr ausweichen können. Doch im letzten Augenblick duckte er sich, wandte sich zur Seite oder sprang in hohem Bogen über die weit über dem Boden dahinsausende Klinge hinweg. Ich war von ihrer Darbietung so gefesselt, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Nassib anstelle seines Melonensafts heimlich immer wieder einen Schluck von meinem Wein nippte. Erst als die Griechen ihren Tanz beendet hatten und ich mich Nassib zuwandte, um zu fragen, ob er ihm gefallen hatte, sah ich, wie er meinen Becher schnell zurückstellte. Er lächelte mir verlegen zu und sagte leise, wie ein bei einem Unfug ertappter Schüler: «Es war ja nur ein kleiner Schluck!» Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und beließ es dabei.
    Als wir aber spät am Abend das Fest verließen und ein leicht wankender Nassib vergnügt zu mir sagte: «Ach, ich fühle mich so leicht», und dabei mit den Händen flatternd den Flug eines Vogels nachahmte, wusste ich, dass er wohl mehr als nur diesen einen Schluck getrunken hatte.
    Drei Tage dauerten die Krönungsfestlichkeiten für unseren jungen Herrscher. Drei Tage der Ausgelassenheit, des Essens und des Trinkens. Drei Tage der Freude.
     
    Danach kehrte eine Zeit scheinbarer Ruhe ein. Die Gäste Pharaos, Ägypter wie Fremdländer, kehrten nach und nach in ihre Heimatstädte zurück, es wurde wieder stiller in Waset. Die VerwalterPharaos zogen sich zurück, um über all das, was gegessen und getrunken worden war, Rechenschaft abzulegen. Der Bauer bestellte wieder sein Feld, und sein Weib setzte sich an den Webstuhl. Der Steuereintreiber zog über Land und legte die Abgaben für die Höfe fest. Die Schlachter, Bäcker und Bierbrauer waren froh, dass sie jetzt wieder weniger zu arbeiten hatten, und die Balsamierer hatten alle Hände voll zu tun, diejenigen, die das Fest aus welchen Gründen auch immer nicht überlebt hatten, für die Ewigkeit vorzubereiten. Die es sich leisten konnten und durften, zogen sich erst einmal zurück, um sich von all der Anstrengung zu erholen.
    Zu ihnen gehörten Haremhab und ich leider nicht. Während Tutanchaton in Begleitung Paramessus, der inzwischen zum Oberst befördert worden war, im Schilfdickicht nördlich und südlich von Waset all seine Bögen und Wurfhölzer zum Einsatz bringen durfte, zogen wir uns zurück, um die anstehenden Aufgaben zu beraten. Haremhab war Soldat, er war der Anführer der gesamten königlichen Streitmacht, weswegen es keinen Zweifel darüber gab, dass er umgehend nach Norden fahren und die Soldaten Pharaos auf den Krieg gegen die Hethiter vorbereiten musste. Es galt nicht nur, die von den

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