Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
mich verlegen an und zögerte ein wenig, ehe er meine Frage beantwortete.
«Keiner meiner Schmelzmeister ist heute mehr in der Lage, Gold von solcher Reinheit herzustellen. Es gab nur einen Mann, der sich darauf verstand. Er hieß Amunmessu. Vor vier oder fünf Jahren verließen ihn seine Kräfte, und er schied aus den Diensten Pharaos aus. Aber er nahm sein Geheimnis mit sich. Niemand von uns konnte ihn überreden, es uns preiszugeben.»
«Wo lebt dieser Amunmessu jetzt?»
«Ich kann es Euch nicht sagen, Gottesvater Eje», gab mir Usermonth zur Antwort, ohne mich dabei anzusehen.
Ich glaubte ihm nicht.
Es dauerte nicht lange. Nach vier Tagen schon sagte mir der Polizeioberste Mahu, wo Amunmessu lebte: in einem kleinen Dorf, dessen Namen ich längst vergessen habe und das etwas südlich von Waset am Westufer des Flusses lag.
Ich vertraute Tutanchaton der Obhut Majas und Ipus an und machte mich in Begleitung eines anderen Dieners auf den Weg. Ich zog es vor, auf Standartenträger, die vor mir hergingen und meine Titel verkündeten, sowie auf eine Sänfte zu verzichten. Alte und weise Männer, und ich hoffte, auf einen solchen zu stoßen, lassen sich von derlei Gepränge meist wenig beeindrucken. Die Fahrt auf einem Streitwagen ließ ich mir aber trotz meines Alters nicht nehmen. Schließlich war ich noch immer der Vorsteher der Streitwagentruppe Seiner Majestät. Mein Stallmeister Thotnefer wusste wohl um meine Leidenschaft und bot mir die Zügel an.
«Nein!», sagte ich und lachte ihn an. «Diese Zeiten sind vorbei, Thotnefer. Wer immer dir gesagt hat, dass du mir damit einen Gefallen erweist: Er hat es gut gemeint. Ich halte mich fest, und du lässt die Pferde laufen. Zeige mir ruhig, was du kannst!»
Nachdem wir den Fluss auf einer Fähre überquert hatten,nahm ich erst mein Kopftuch ab und warf es auf den Boden des Wagens, dann zog ich die roten Lederhandschuhe, die mir Echnaton vor vielen Jahren geschenkt hatte, hinter meinem Gürtel hervor, streifte sie über und hielt mich am Geländer des Streitwagens fest. Dann nickte ich Thotnefer aufmunternd zu, und schon wenige Augenblicke später knallte die Peitsche, und die Pferde jagten in wildem Galopp vorwärts.
Es war wie vor vierzig Jahren: Die Wüstenluft umströmte meinen Körper, zerzauste mein Haar und vermochte doch keine Kühlung zu verschaffen. Winzige Sandkörnchen, aufgewirbelt von den Vorderhufen der Pferde, schlugen gegen die Haut und piekten wie Nadelstiche. Ich drehte mich um und sah, wie eine gewaltige Staubwolke unserem Wagen folgte, und die Menschen auf unserem Weg, die für kurze Zeit in dieser Wolke verschwanden, schickten uns so manchen derben Fluch hinterher.
«Könnte mich nur Amenophis so sehen», sagte ich zu mir, als wir am Palast der leuchtenden Sonne vorbeifuhren. Die Brüstung aber, von welcher er sooft mein Kommen beobachtet hatte, war leer. Schon wenig später musste Thotnefer langsamer fahren, denn der Weg, der sich jetzt durch die Felder und die Obstgärten mit ihren vielen Wassergräben und Brunnen dahinschlängelte, ließ eine schnelle Fahrt nicht mehr zu. Ich hatte auch genug, denn die unruhige Fahrt hatte meine Beine etwas zittrig werden lassen.
«Man erzählt sich», sagte Thotnefer zu mir, «dass Ihr einmal ein großer Wagenlenker gewesen seid, Gottesvater Eje.»
«Und?»
«Ich wollte es nie glauben, aber Eure Standfestigkeit hat mich überzeugt.»
Thotnefer ging in das kleine, aber sehr gepflegte Haus, das inmitten alter Dumpalmen und einem Meer von bunt blühenden Sträuchern und Blumen lag, um meinen Besuch anzukündigen, während ich selbst die Pferde festband. Als mein Stallmeister wieder erschien, wurde er von einem unscheinbaren, vom Altergebeugten Mann, der sich mit der Hand an Thotnefers rechtem Arm festhielt, begleitet. Er trug einen einfachen, glatten Schurz, wie man ihn in Waset schon lange nicht mehr sah, und über seinen Schultern lag zum Schutz vor der gleißenden Sonne ein weißes Tuch. Er hatte sich gewiss seit zwei Tagen nicht mehr rasiert, denn sein hageres Gesicht, aus dessen Mitte eine schmale, krumme Nase hervorragte, war von weißen Bartstoppeln übersät. Gleichwohl konnten sie die tiefen Falten, die sich weit über die Mundwinkel hinabzogen, nicht verbergen.
«Gottesvater Eje!», sagte er mit einer Stimme, deren Kraft und Klarheit mich erstaunten, und er verneigte sich, so gut er nur konnte, wobei er die rechte Hand an die Brust legte.
«Ich hätte nicht geglaubt, dass ein Mann
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