Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
der aus den Gruben in der syrischen Wüste und aus Nubien zu uns kommt, eingelagert. Jeder Sack wird auf den Deben genau gewogen und vermerkt, damit der Lagermeister die Listen unseres Lagers mit den Ausgangslisten der einzelnen Gruben vergleichen kann. Seine Stube befindet sich gleich hier nebenan.»
Usermonth öffnete die nächste Türe und zeigte auf den Lagermeister. Ein wohl beleibter Mann saß mit gekrümmtem Buckel hinter einem Tisch, den Kopf dicht über einem Papyrus, und er machte keine Anstalten, sich zu bewegen.
«Sobekhotep!», sagte unser Begleiter zu seinem Lagermeister in mahnendem Ton.
«Gleich!», brummte dieser mürrisch zurück und erhob dann endlich sein Haupt, um zu sehen, warum ihn sein Herr störte. Zwei große Augen glotzten uns verunsichert an. Jetzt begriff Sobekhotep, wer vor ihm stand, sprang von seinem Stuhl, der sogleich krachend umfiel, auf und warf sich wortlos zu Boden.
«Erhebt Euch, Sobekhotep», sagte ich und sah mich dabei aufmerksam in der Stube um. In der linken Ecke des Raumes,gleich neben dem Eingang, hing eine gewaltige Waage von der Decke herab. Auf dem Tisch daneben standen in unterschiedlichster Größe etwa zwölf bis fünfzehn Gewichte, die allesamt die Form eines Stierkopfes hatten. Wie in fast jeder Amtsstube Ägyptens waren die Wandregale von oben bis unten mit Papyrusrollen unterschiedlichster Größe voll gestopft.
«Seine Majestät beehrt uns heute mit Ihrem Besuch», fing Usermonth unaufgefordert an zu reden. «Es ist ein glücklicher Tag für unsere Werkstatt!»
«Du darfst mich ansehen», sagte Tutanchaton leise zu ihm, der mit gesenktem Haupt dastand. Ich hatte nur selten zuvor in meinem Leben einen derart hässlichen und abstoßenden Mann gesehen. Sobekhotep, der den Namen des Krokodilgottes aus dem Fajum gewiss nicht zufällig trug, hatte nicht nur weit hervortretende Augen wie ein Krokodil, schlimmer noch: Er hatte ungehorsame Augen, die in unterschiedliche Richtungen blickten. Während sein rechtes Auge in das Gesicht seines Gegenübers sah, starrte sein anderes Auge im rechten Winkel nach links an die Wand. Dabei hielt er seinen Kopf nicht still, sondern drehte ihn ständig hin und her wie eine Eidechse, die nach ihrem Weg sucht. Aber er mochte seinen Kopf auch drehen, wie er wollte, stets fiel der Blickwinkel seiner Augen gleich weit auseinander. Auch ansonsten war er eine unansehnliche Erscheinung. Sein Körper war füllig, und ich war mir sicher, dass er außer auf dem Weg zu seiner Arbeit und zurück keinen Schritt zu viel tat. Sein Haar, das ohnehin nur aus einem schmalen Kranz um seinen unförmigen Schädel bestand, fiel dünn und ungepflegt in fettigen Strähnen herab. Seine Haut war auffallend hell, fast weiß, und erinnerte mich an das gekochte Fleisch eines Huhns oder eines Krokodils. Aber es war nicht nur das: Die Haut dieses Stubenhockers war übersät von kleinen Pusteln, die zwischen den Haaren seines unrasierten Körpers wie kleine, rote Beeren emporragten.
«Sobekhotep ist der gewissenhafteste Schreiber, den Ihr Euch vorstellen könnt», sagte Usermonth, und mir war, als wollte ermit dieser Bemerkung meinen Ekel vor diesem Mann abmildern, denn mein angewidertes Gesicht machte meine Abneigung wohl nur zu offenkundig.
«Das muss man auch von jemandem in dieser wichtigen Stellung erwarten können, Usermonth. Männer wie Ihr und Sobekhotep werden nur allzu gut wissen, was mit einem unredlichen Schreiber geschieht.» Und zum Lagermeister gewandt, sagte ich: «Wie lange steht Ihr schon im Dienst Seiner Majestät, Sobekhotep?»
«Zwölf Jahre, edler Herr. Zwölf Jahre», wiederholte er eilfertig.
«Und wie alt seid Ihr?»
«Zweiunddreißig Jahre, edler Herr.»
Tutanchaton verspürte offenbar auch kein Verlangen, sich weiter mit ihm zu beschäftigen, denn noch während Sobekhotep redete, verließ er den Raum.
Usermonth führte uns in einen kleinen Hof, in welchem der Goldstaub erst in Steinmühlen gemahlen und dann auf Steinrutschen wieder und wieder gewaschen wurde, bis nur noch winzige Goldkörner in den Schüsseln zurückblieben.
«Es ist nicht viel, Majestät, was von dem Inhalt der Säcke als Gold zurückbleibt. In manchen Abbaugebieten wird der Staub schon vor Ort gewaschen. Das hängt von den jeweiligen Wasservorkommen ab. Von dort, wo es eben nur wenig Wasser gibt, bekommen wir den Staub in diesen Säcken, und wir trennen das Gold erst hier.»
Während die vielen Goldwäscher noch am Boden lagen, griff Tutanchaton in eine
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