Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Eures Ranges einmal den Weg in mein Haus finden würde. Was mag wohl in Waset geschehen sein, dass man sich dort meiner erinnert?»
«Es ist schon gut, Amunmessu», sagte ich zu ihm, fasste vorsichtig nach seinem rechten Arm und gab ihm so zu verstehen, dass er nicht länger gebückt vor mir stehen musste.
«Ich hoffe, dass nichts Besorgnis Erregendes geschehen ist, und doch führt mich eine unheilvolle Ahnung zu euch. Gibt es ein schattiges Plätzchen in Eurem Garten?»
«Gewiss, Gottesvater Eje, gewiss.»
Vorsichtig und bedächtig ging er an der Seite Thotnefers in den Garten und zeigte dort auf eine Bank unter den Fächern einer Dumpalme. Ich schickte Thotnefer zurück zu den Pferden, damit er sie abrieb und tränkte, und setzte mich neben Amunmessu.
«Vor wenigen Tagen besuchte ich mit dem Guten Gott zum ersten Mal in meinem Leben die Goldwerkstätten des Palastes.»
«Hat man schlecht über mich geredet?», fragte er mich und sah mich dabei mit hochgezogenen Brauen an.
«Sollte man dort schlecht über Euch reden?», gab ich die Frage sofort zurück.
«Wenn jemand wie Ihr zu einem so unbedeutenden Mann,wie ich es bin, kommt, hat das einen Grund. Und ich nehme an, dass Ihr Euch vorher über mich erkundigt habt.»
«Nein», sagte ich etwas zögerlich. «Schlecht geredet hat man über Euch nicht. Aber aus der ausweichenden Antwort Usermonths auf meine Frage, wo Ihr lebt, habe ich geschlossen, dass er ein Aufeinandertreffen von uns verhindern wollte.»
«Was soll ich dazu sagen, Gottesvater Eje? Wenn jemand Fähigkeiten besitzt, über die kein anderer verfügt, hat er Neider. Das wird Euch in Eurem langen Leben am Hof nicht anders ergangen sein. Aber wenn man keine Möglichkeit sieht, sich durchzusetzen, dann geht man besser, ehe es gefährlich wird.»
Wir schwiegen eine Weile, bevor ich genauer wurde.
«Usermonth konnte nicht umhin, Eure besondere Fähigkeit herauszustellen. Ich meine Eure Fähigkeit, Gold von bis dahin ungekannter Reinheit herzustellen. Euer Ausscheiden aus den Diensten Seiner Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, schob er auf Eure altersbedingte Schwäche.»
«Unsinn!», widersprach mir der alte Mann sofort. «Altersbedingte Schwäche! Um das, worauf nur ich mich verstand, zu vollbringen, braucht man nicht einmal die Kraft eines Kleinkindes. Altersbedingte Schwäche!», wiederholte er fast zornig und blickte zum Himmel.
«Wollt Ihr wissen, worin meine ganze Fähigkeit bestand? Ich will es Euch sagen: Erhitze Gold zu heller Rotglut. Dann werfe die Hälfte seines Gewichts an möglichst reinem Steinsalz in das flüssige Gold. Wie durch ein Wunder verdampft mit dem Salz der eine Teil des Silbers, das eben noch mit dem Gold vermischt war, ein anderer Teil wird in den feinen Fugen des Tongefäßes abgelagert. So erhält das Gold eine honiggelbe Farbe. Sagt, Gottesvater Eje, braucht es dazu die Kraft eines nubischen Sänftenträgers?»
«Jene honiggelbe Farbe, wie ich sie beim Gold am Sarg Echnatons gesehen habe?», hakte ich nach.
«Ja, so ist es, Gottesvater Eje. Jenes Gold am Sarg Echnatons war mein Werk.»
«Aber warum habt Ihr dann die Werkstätten verlassen?»
Wieder schwieg der alte Mann und sah nachdenklich zu Boden. Dann flüsterte er: «Wenn man einen Verdacht hat, dann soll man ihn entweder offen aussprechen, oder man schweigt besser ganz und geht. Letzteres vor allem dann, wenn man um sein Leben fürchten muss, wenn man nicht schweigen sollte. Ich hatte mich damals dafür entschieden, zu gehen.»
Eine junge Frau, die wohl die Enkelin des Alten war, brachte uns kühlen Melonensaft und verließ ebenso schweigend, wie sie gekommen war, den Garten.
«Und heute?», unterbrach ich die kurze Stille.
«Heute?» Jetzt sah er mich wieder an.
«Heute bin ich ein alter Mann und sollte den Tod nicht mehr fürchten. Doch ich habe mir immer gewünscht, eines friedlichen Todes zu sterben. Vielleicht hier auf dieser Bank oder einfach ganz still und unauffällig eines Nachts in meinem Bett.»
Ich war mir sicher, dass ich schon einen Fuß in der Tür hatte und nahe daran war, die Wahrheit zu erfahren.
«Hättet Ihr nicht ein schlechtes Gewissen vor dem Guten Gott, wenn Ihr Euer Geheimnis mit in Euer Grab nehmen würdet? Seid Ihr nicht wenigstens ihm die Wahrheit schuldig, Amunmessu?»
Eine unscheinbare Träne rann über seine faltige Wange und verfing sich bald in seinem weißen Bart. Sie war ihm lästig, und er wischte sie hastig weg.
«Ich weiß nicht viel von dieser Welt,
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