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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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und ihre Gehilfen konnten ebenfalls nur durch diesen Gang hineingelangen, und sie mussten sich Abend für Abend, wenn sie die Werkstätten wieder verließen, strengsten Überprüfungen unterziehen.
    Der Vorsteher der Schmelzmeister des Königs hieß Usermonth. Er war auf den Besuch Seiner Majestät nicht vorbereitet, denn ich hatte es vorgezogen, unangemeldet zu erscheinen. Usermonth mochte etwa vierzig Jahre alt gewesen sein. Er war eher klein von Gestalt, hatte fast schwarzes, glattes Haar, und sein gedrungener, beleibter Oberkörper ließ die dünnen Beine länger erscheinen, als sie tatsächlich waren. Sein Gesicht und vor allem seine Wangen glühten meist in kräftigem Rot, und schon bald nach unserer ersten Begegnung wusste ich, dass der Grund dafür weniger in der Hitze lag, die ständig in seiner Werkstatt herrschte, als vielmehr in dem Wein, den Usermonth regelmäßig und vor allem abends in nicht unbeachtlichen Mengen trank. Ansonsten empfand ich sein Äußeres als angenehm: Seine zierlichen Hände waren gepflegt wie die einer Tempeltänzerin, er duftete nach kostbarem Öl, und seine Haare wirkten stets frisch geschnitten und gekämmt. Er trug tadellose Kleidung, und sein Auftreten glich eher dem eines ägyptischen Fürsten denn dem eines Goldschmieds. Usermonth sprach auch nicht die als ländlich verrufene Sprache Oberägyptens, sondern er machte kein Hehl daraus, dass seine Heimatstadt weit im Norden Ägyptenslag, am Ostrand der Flussmündung. Er stammte aus Bubastis, wo die alte Löwengöttin Bastet beheimatet war.
    Der Vorsteher der Schmelzmeister des Goldes Seiner Majestät war sprachlos, als er Tutanchaton und mich erblickte, aber er tat das einzig Richtige, was ein Ägypter in dieser Lage tun konnte, ja musste: Er warf sich vor Seiner Majestät in den schwarzen Staub seiner Werkstatt und sagte kein Wort.
    «Erhebe Dich, Usermonth», sagte Nassib mit einer Gelassenheit, als trüge er die Doppelkrone schon seit Jahren und nicht erst seit wenigen Monaten. Der Vorsteher erhob sich eilig und doch etwas unbeholfen, und ich sah, dass er seinen Rücken nur selten krümmen musste. Mit gesenktem und rot unterlaufenem Kopf stand er vor Pharao. Kaum dass ihm Nassib erlaubt hatte, ihn anzusehen, erhellte sich das Gesicht Usermonths zu fast übertriebener Freundlichkeit, er hatte zweifellos in diesem Augenblick beschlossen, das Herz seines jungen Herrschers für immer und Gewinn bringend für sich einzunehmen.
    «Ich hoffe», sagte ich zu ihm, «wir haben Euch nicht allzu unangenehm in Eurer Arbeit gestört. Aber Seine Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, wollte nicht mehr länger warten, um die Entstehung der kostbarsten Schätze dieser Erde zu sehen.»
    Ich wusste, dass diese Schmeichelei Usermonths Herz öffnen und seine Zunge lösen würde, und schon begann er zu sprechen: «Es ist eine unfassbare Ehre für unsere bescheidene Werkstätte, wenn der Gute Gott selbst zu uns kommt.»
    Dabei fiel mir auf, dass er gelegentlich leicht lispelte, aber ich war mir nicht sicher, ob es sich um eine krankhafte Fehlleistung seiner Zunge oder um eine eitle Künstelei handelte, um sich wichtig zu tun.
    «Seit so vielen Jahren warten wir darauf, dass der göttliche Empfänger all unserer bescheidenen Werke einmal nur den Weg zu uns findet, doch der Einzige, der stets mit dem Lob des Guten Gottes bedacht wird, ist der Schatzmeister Seiner Majestät selbst. Umso größer ist jetzt für mich die Ehre Eures Besuchs!»
    Einerseits hatte Usermonth nicht Unrecht, denn tatsächlichtrat immer nur der Hüter der königlichen Schätze vor Seine Majestät, um belobigt zu werden, nie aber ihre Schöpfer. Andererseits stand Usermonth diese Art von doch unverhohlenem Tadel nicht im Mindesten zu.
    «Seine Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, wird Euer Wirken zu schätzen wissen», sagte ich zu ihm und bat ihn, uns die Werkstätten zu zeigen. Usermonth verneigte sich demütig, wies uns mit der Hand den Weg und sagte: «Wenn Ihr erlaubt, dass ich vorangehe!»
    Er führte uns durch einen langen Gang, an dessen Ende sich Lagerräume, die Getreidespeichern sehr ähnlich waren, befanden. Fünf fensterlose, gewiss zehn Ellen hohe Räume reihten sich aneinander, die einzeln nur über schwere, fest verschlossene und mit Bronze verkleidete Holztüren zu erreichen waren. Usermonth nahm eine Fackel, die neben einer der Türen in einem Wandhalter steckte, und betrat das Lager.
    «Hier, Majestät», fuhr er nun fort, «wird der goldhaltige Sand,

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