Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Abu fuhr ich mit Tutanchaton nach Waset zurück.
Der mächtigen, lebendigen und lauten Hauptstadt Oberägyptens war nichts anzumerken. Als hätte es nicht schändliche Verbrechen gegeben, Täter aus dem Kreis der engsten Vertrauten Pharaos und Hinrichtungen, wie sie zahlreicher und schrecklicher vorher nie zu sehen gewesen waren, ging das fröhliche Lärmen in dieser Stadt weiter wie eh und je. Gewiss, das Leben musste weitergehen, denn das Leben in dieser Welt endet erst mit dem Tod und nicht mit der Aufdeckung von Verbrechen, erst recht nicht, wenn sie von anderen begangen wurden. Aber ich hatte immer geglaubt, dass die Menschen nach derlei Begebenheiten ruhiger und besonnener werden würden, dass sie etwas in sich gehen würden. Gerade das Gegenteil schien in Waset der Fall zu sein. Es gingen die unglaublichsten Gerüchte um, wer außer den Hingerichteten noch ein Verbrecher war und dass die wirklichen Mörder Nofretetes allesamt am Leben wären. Mahu berichtete mir, dass einem seiner Polizisten zugetragen wurde, ich selbst hätte all die ungeheuerlichen Vorwürfenur erfunden, um aufrechte, mir aber unliebsame Männer aus dem Weg zu räumen, damit ich allein und ohne Angst vor Entdeckung über den Schatz Pharaos verfügen konnte. Einige dieser Gerüchte hatten ihren Ursprung gewiss innerhalb der Tempelmauern Amuns. Dies zu beweisen gelang aber weder Mahu noch mir selbst.
Das wichtige Amt des Schatzmeisters Seiner Majestät musste schnell besetzt werden, daran gab es keinen Zweifel. Seit dem Tod Achas waren alle Schatzhäuser und die Goldwerkstätten geschlossen und von Soldaten der Streitwagentruppe bestens bewacht. Es musste aber dort schnell wieder ein geregeltes Schaffen einkehren, damit alle Ägypter sahen, dass Pharao, war er auch noch so jung, in der Lage war, Maat zu schaffen, unsere göttliche Ordnung. Es bedurfte von meiner Seite keines Hinweises und keines Zuredens. Die Wahl traf Tutanchaton allein und selbstsicher wie ein erfahrener Regent.
Der Auserwählte selbst konnte die Ehre, die ihm mit der Verleihung dieses Amtes zuteil wurde, kaum fassen. Ja, der Aufstieg Majas vom einfachen Schreiber zum Ersten Schreiber Echnatons und jetzt zum Schatzmeister Seiner Majestät war wirklich unvorstellbar.
Aber er war verdient.
In den Reihen der Priester des Verborgenen sah ich nur finstere, mürrische und unzufriedene Gesichter, obwohl Pharao ihnen gerade erst die Gnade gewährt hatte, die goldene Statue Amuns künftig auf dreizehn Tragestangen und nicht wie bisher auf nur elf durch die Stadt zum südlichen Tempel zu tragen. Wie vor so vielen Jahren schon hörte ich ihre Boshaftigkeiten, und sie ahnten noch immer nicht, dass ich fast jedes ihrer Schmähworte verstand. Wie erbärmlich diese Geschöpfe geblieben waren! Ich hatte gehofft, dass jetzt, wo ihre Tempel wieder geöffnet, wo ihre Schatzhäuser nach und nach wieder gefüllt und wo die Feste zu Ehren Amuns und aller anderen Götter wieder gefeiert werden durften, Friede einkehren würde.
«Nicht nur, dass man den ersten Obelisken, der nach so vielen Jahren der Tatenlosigkeit geschaffen werden soll, dem Tempel Atons in Achet-Aton weiht. Nicht nur, dass man bei der Besetzung eines so bedeutsamen Amtes wie desjenigen des Schatzmeisters Seiner Majestät erneut bestens geeignete Männer Oberägyptens übergeht. Wir haben auch erfahren, dass man sich mit der Absicht trägt, nach dem Opetfest dauerhaft nach Achet-Aton zurückzukehren», ereiferte sich Meriptah, und als ich seine Worte vernahm, glaubte ich in ihnen den Geist ihres längst verstorbenen Oberpriesters Ramose zu erkennen. Die Priester um Meriptah tuschelten wie eh und je und zischten ihre Boshaftigkeiten wie Giftnattern vor sich hin. Und wie seit den ersten Tagen an der Seite meines Freundes Amenophis gab ich sie an Tutanchaton weiter, damit er wusste, mit wem er es vor sich zu tun hatte.
«Warum», fragte ich den Ersten Sehenden herausfordernd, «vermeidet Ihr es, Pharao unmittelbar anzusprechen, und sprecht nur von ‹man›, wenn Ihr doch ohne jeden Zweifel den Guten Gott meint?»
«Dann versteckt Euch nicht hinter Seiner Majestät, Gottesvater Eje», tönte es zurück, «wenn in Wirklichkeit Ihr allein die treibende Kraft all dieser Vorhaben seid.»
«Schweig!», rief Tutanchaton zu meiner großen Überraschung laut in den Audienzsaal hinein. «Es steht Dir nicht zu, so vor mir zu reden! Glaubst Du wirklich, ich würde nicht hören, wie Deine Priester über mich reden? Mein Vater
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