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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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mochte deswegen diese Stadt nicht, und ich mag sie auch nicht.»
    Der Erste Sehende verneigte sich demütig, denn er spürte wohl, dass Tutanchaton kurz davor war, die Audienz zu beenden und ihn und seine Priester hinauszuwerfen.
    «Nach dem Opetfest wird Seine Majestät nach Achet-Aton fahren. Wie lange er sich dort aufhalten wird, entscheidet Pharao ganz allein», beschied ich Meriptah und seine Priester und schloss damit die Versammlung.
    Die Diener Amuns schienen fürs Erste beruhigt, denn ohnenoch weiter zu murren, verließen sie den Palast, und bis zum Opetfest war von ihnen kaum etwas zu hören oder zu sehen.
     
    Die vielen Menschen, die aus allen Landesteilen zu diesem Opetfest nach Waset strömten, waren nicht nur aus eigenem Antrieb hierher gekommen. Dessen war ich mir sicher.
    Gewiss hatte ein Teil von ihnen das Fest zum Anlass genommen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie Tutanchaton mit dem althergebrachten und für ihn doch so neuen Glauben und seinen Festen umgehen würde; der größere Teil derer, die bis von Men-nefer, der Flussmündung und dem Fajum angereist kamen, waren von den Dienern Amuns hierzu ermuntert worden. Das berichteten uns Polizisten Mahus, die sich unerkannt unter die Pilger gemischt hatten, Tag für Tag aufs Neue. Als aber der große Tag gekommen war und die Festlichkeiten mit dem Zug der Barke Amuns begannen, konnte ich mich selbst davon überzeugen: Die Verehrung des Verborgenen war nicht befohlen und wirkte auch nicht aufgesetzt, sondern entsprang einer im Volk tief verwurzelten, innigen Frömmigkeit. Ich erkannte es an ihren Gesichtern, an ihren inbrünstigen Gebeten und den zahlreichen und großzügigen Opfergaben, die für viele von ihnen gewiss schmerzlich waren. Und ihre Dankbarkeit dafür, dass sie hier ihren alten Glauben wieder gefunden hatten, ja ihn wieder finden durften, fand ihren Ausdruck in der Verehrung, die sie Tutanchaton gleich einem Gott entgegenbrachten.
    Die Fahrt der goldenen Statuen von Amun, Mut und Chons, begleitet von dem jungen Pharao, glich einem Triumphzug nach dem gewaltigsten aller Siege über die Feinde Ägyptens. Ich hatte das große Opetfest im 25.   Regierungsjahr meines Freundes Amenophis erlebt, das dieser nach der Fertigstellung des südlichen Tempels gefeiert hatte. Schon damals waren die Ufer des Flusses und die Straßen der Stadt von Hunderttausenden gesäumt, und ihre Plätze waren so überlaufen, dass es kein Hindurchkommen mehr gab. Aber das, was ich jetzt am Ende des ersten Regierungsjahres seines Enkels erlebte, übertrafalles Dagewesene. Schon beim Auszug der Götterstatuen aus dem großen Tempel Amuns drängten die Menschen mit solcher Gewalt nach vorn, dass die Soldaten alle Mühe hatten, den Prozessionsweg der goldenen Barke, die von sechsundzwanzig Priestern auf dreizehn Tragestangen getragen wurde, freizuhalten. Während des Zuges zum Hafen, den die Sänfte Pharaos anführte, stieg aus unzähligen Opferpfannen Weihrauch in dicken Schwaden zum Himmel empor, sangen die Tempelchöre ihre Lobgesänge zu Ehren der göttlichen Dreiheit und murmelten die Menschen unaufhörlich in unverständlichen Gebeten ihre Sorgen und Wünsche vor sich hin.
    Nach drei Tagen der Gottesverehrung und des Feierns hegte ich keinen Zweifel mehr, dass unser Volk die Rückkehr zu seinem alten Glauben, zum Glauben an Re, Amun und Osiris, an Ptah, Mut und Chons und an all die anderen Götter, spätestens hier in Waset endgültig und eindrucksvoll vollzogen hatte. Man sah ihnen an, dass sie für die Befreiung vom Joch des für sie so ungewohnten Eingottglaubens dankbar waren, dass sie es genossen, all die unscheinbaren und für die meisten von ihnen gewiss undurchsichtigen Kulthandlungen wieder ausüben zu dürfen: drei Verneigungen nach rechts, drei nach links; ein wenig Salz ins Wasser, damit Geb, der Erdgott, nicht zürnte; ein kurzer Blick gen Himmel, um Re nicht zu enttäuschen. So ging es unentwegt, aber sie taten es mit großem Ernst und mit einer Würde, als würde von ihrem Tun der Fortbestand Ägyptens abhängen. Aber ist es nicht gerade dieses genaue Beachten aller Regeln, die Maat von ihnen und von uns allen jeden Tag aufs Neue verlangt?
    Am Ende der zehn festlichen Tage blieb mir nur die betrübliche Einsicht, dass zumindest außerhalb von Achet-Aton die Botschaft Echnatons und sein neuer Glaube gescheitert waren. Es machte auch gar keinen Sinn, dem Willen der Menschen gegenzusteuern. Jeder noch so unscheinbare Versuch wäre am erbitterten

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