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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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für das kostbarste Leben Ägyptens zu opfern. So trat Rechmire nicht nur in Schande vor den Richter des Jenseits, sondern auf der rechten Waagschale seines Herzens lag eine für Anubis unübersehbar gute Tat, die seine Seele vielleicht davor bewahrte, von der Fresserin, jenem Mischwesen mit Löwenkörper und dem Hinterteil eines Flusspferds, das aber den Rachen eines Krokodils hatte, verzehrt zu werden, wie die Fresserin alle verzehrte, die nicht gerechtfertigt waren vor Anubis.
    Und noch eine Gnade gewährte ihm das Schicksal: die Gnade, nicht Hand an sich selbst gelegt haben zu müssen, sondern den Tod so hinnehmen zu dürfen, wie er kam, unweigerlich und unaufhaltsam. Denn wie oft wohl mochte die Hand des Selbstmörders zaudern, stellte sie, geplagt von Zweifeln, das Gift wieder zur Seite, legte sie die Klinge wieder nieder, um sie schließlich doch zu ergreifen und in einem letzten Akt der Niedergeschlagenheit dem Leben ein Ende zu bereiten, weil die Armen trotz allen Hoffens und Bangens keine Stimme vernahmen, die sie anflehte, ihrem Tun Einhalt zu gebieten.
    So mochte Rechmire trotz aller Schande, die er über sich und seine Familie gebracht hatte, als Gerechtfertigter ins Jenseits eingehen. An mir war es, meiner ahnungslosen Tochter die Nachricht vom schrecklichen Opfertod ihres Gemahls zu überbringen. Sosehr ich meine Tochter auch bedauerte, ich musste ihr die Wahrheit über die Machenschaften ihres Gemahls offenbaren, denn es wäre für sie viel schlimmer gewesen, hätte sie eines Tages von anderen davon erfahren und nicht von mir selbst. Und es mochte bei Hof manchen gegeben haben, der, nur um mir zu schaden, mich vor meiner eigenen Tochter bloßstellen würde, wenn er nur Gelegenheit dazu bekam. Dabei dachte ich vor allem an Haremhab.
    Während Tutu, der Leibarzt Pharaos, die Verletzung des Jungenbehandelte, ging ich zu meiner Tochter Mutnedjemet. Wir beide kannten uns nur zu gut, als dass sie nicht geahnt hätte, dass mein Besuch bei ihr nichts Gutes bedeutete.
    «Wo ist Rechmire?», fragte sie mich ahnungsvoll, ohne mich zuvor auch nur mit einem Wort begrüßt zu haben. Ich ergriff ihre Hände und berichtete ihr in wenigen Worten, was geschehen war. Mutnedjemet hatte in ihrem Leben schon zu oft den Tod mit all dem Leiden, das er verursacht, erlebt, als dass sie jetzt haltlos zusammengebrochen wäre. Still saß sie jetzt vor mir, hielt sich die Hände an die Schläfen und blickte ausdruckslos zu Boden.
    «Wir hatten uns immer so sehr Kinder gewünscht», sagte sie leise, während jetzt Tränen über ihre Wangen rollten und von dort zu Boden fielen.
    «Ich weiß gar nicht, ob ich jetzt nicht dankbar dafür sein sollte, dass unser Wunsch nie erhört wurde. So lässt Rechmire jetzt wenigstens nur mich allein mit all dem Schmerz zurück. Dafür habe ich außer meiner Erinnerung an ihn nichts, was von ihm geblieben ist.»
    Ich nahm allen Mut zusammen und sagte: «Die Schuld, die er lange vor seinem Tod auf sich geladen hat, wird dir die Erinnerung an ihn noch schwerer machen, Mutnedjemet.» Sie hob den Kopf und sah mich verständnislos an.
    «Du hast von Acha und den anderen gehört?»
    Sie nickte stumm.
    «Er war einer von ihnen.»
    «Das ist nicht wahr!», rief sie laut und strafte mich für meine Behauptung mit wütenden Blicken. «Rechmire hat nichts Unrechtes getan, Vater!»
    «Ich weiß, dass ich jetzt kein guter Tröster für dich bin. Doch ich kann nicht anders, als dir die Wahrheit zu sagen. Rechmire hätte nur noch wenige Tage Zeit gehabt. Ich habe gestern Abend mit ihm darüber geredet. Wenn du darauf bestehst, lege ich dir alle Beweise vor.»
    Mutnedjemet winkte ab und vergrub ihr Gesicht in ihrenHänden, um jetzt ihrer Trauer freien Lauf zu lassen. Ich ging zu ihr und legte meine Hände auf ihre Schultern.
    «Lass mich allein!», schluchzte sie laut und drehte sich abweisend zur Seite.
    «Nein, ich lass dich jetzt nicht allein.»
    Ich kniete nieder und nahm sie in meine Arme. Lange weinte sie so bittere Tränen der Trauer um ihren verlorenen Gemahl und um ihr zerstörtes Glück.
    Wie ich es Aper-el versprochen hatte, ließ ich den Leichnam seines Sohnes Rechmire noch am selben Tag zu den Balsamierern von Abu bringen, damit sie ihn würdig und nach den Vorschriften für die Ewigkeit vorbereiteten. Während dieser siebzig Tage blieb Mutnedjemet in Abu zurück, um erst danach zusammen mit ihrem toten Gemahl die Reise nach Norden anzutreten.
    Drei Tage nach den Geschehnissen in den Steinbrüchen von

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