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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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flüsterte er. «Sie weiß von alledem nichts.»
    Darauf verneigte er sich kurz vor mir und ging weg.
     
    Am anderen Morgen war er wie verwandelt: Ein fröhlicher, scheinbar willensstarker Rechmire erschien vor Pharao und mir und erklärte in überschwänglichen Worten, dass alles für die Ausfahrt in die Steinbrüche vorbereitet war. Eine Fähre brachte uns von der Insel ans östliche Ufer. Sein abendliches Geständnis hatte sein Herz offenbar von einer schweren Last befreit.
    Es waren gewiss zwölf bis vierzehn Streitwagen, die im Hof der dortigen Kaserne bereitstanden, und dazu dreißig Soldaten, die uns begleiten sollten.
    Ob Rechmire ahnte, dass sein Verwalter, der im Palast auf der Insel zurückgeblieben war, gerade verhaftet wurde, während wir in die Steinbrüche aufbrachen? Dort arbeiteten noch zwei andere Männer, auf die das gleiche Schicksal wartete wie auf die achtundzwanzig, die vor wenigen Wochen in Waset hingerichtet worden waren.
    Ich stieg mit auf Tutanchatons Wagen, den ein Offizier meiner Streitwagentruppe lenkte, denn hier wollte ich meinen Schützling nicht einen Augenblick allein lassen. Jedenfalls nicht, solange auch nur einer jener Verbrecher frei herumlief. Zuvor hatte ich unauffällig unseren Wagen gemustert, ob vielleicht die Achse angesägt oder ein Riemen durchtrennt war. Als wir losfuhren, befahl ich dem Wagenlenker: «Nicht schneller als Trab!»
    Unsere Fahrt ging zuerst ein Stück weit nach Süden. Der Weg entlang des Ufers war gut ausgebaut und lag im Schatten von Nilakazien, die sich hier zu Tausenden aneinander reihten, denn der Uferpfad wurde auch von Sklaven und Zugstieren benutzt, um die Lastschiffe mit Steinblöcken von Abu nach Norden zu ziehen. Ohne den kühlenden Schatten der Bäume wären die Sklaven allzu schnell zugrunde gegangen, ohne lange nützlich gewesen zu sein, und die Zugstiere hätten zu oft zum Wasser geführt werden müssen, was einem schnellen Vorwärtskommen nur hinderlich gewesen wäre. Die älteren Akazien trugen noch die weißen Blütenstände, die in üppigen Trauben herabhängend einen schweren und süßen Duft verbreiteten, welcher dort, wo der Fluss langsam dahinziehend nur Brackwasser mit sich führte, dessen modrig-faulen Geruch angenehm überdeckte. Die wenigen Menschen, die uns auf unserer Fahrt begegneten, blieben nur verwundert am Wegrand stehen, und bestenfalls verneigten sich ein paar wenige, denn keiner von ihnen konnte ahnen, dass in der Mitte der vorüberfahrenden Kolonne der Gute Gott auf einem der Streitwagen stand.
    Dann erreichten wir jene Stelle, an der die Ausläufer der östlichen Höhenzüge bis dicht an den Nil heranreichen. Bald daraufsahen wir die erste lang gestreckte Rampe, von welcher Sklaven, Gefangene und Verbannte die Granitblöcke vom Steinbruch herab an den Fluss schleppten, damit sie dort auf die Lastschiffe verladen werden konnten. Es waren das unentwegte Schreien der Aufseher, das Knallen von Peitschen, das Knirschen des Sandes und das Quietschen der Holzkufen, die einen hier selbst das eigene Wort nicht mehr verstehen ließen. Dazwischen vernahm ich das Stöhnen und Fluchen der zu dieser Schinderei Verdammten. Einige von ihnen hatten noch kräftige, muskulöse Körper, woraus ich schloss, dass sie noch nicht lange hier waren. Andere waren ausgemergelt, hatten eine tiefbraune, von Narben übersäte und geschundene Haut, und ihr leerer und doch so kummervoller Blick verriet, dass sie um das baldige Ende ihrer Lebenszeit wussten. Junge Sklaven, denen man ansah, dass sie von harter Arbeit verschont wurden, und die gewiss die Lieblinge der Aufseher und Obersklaven waren, huschten mit Wasserschläuchen zwischen all den Elenden hin und her, und man erkannte schnell, wen von den einfachen Sklaven die schönen Jünglinge noch fürchteten, denn diese durften länger und häufiger trinken als die anderen.
    Unser Weg schlängelte sich die Anhöhe hinauf, und je näher wir den Steinbrüchen kamen, umso deutlicher vernahm ich ein anderes Lärmen: Es war das eintönige, unaufhörliche Schlagen Hunderter Steinhämmer. Wo ich auch hinblickte, der ganze Hang war voll von Sklaven, die Splitter für Splitter unzählige Granitblöcke aus dem Hang herausschlugen. Ihre schweren Hämmer waren aus Diorit, dem härtesten aller Steine, denn Kupfer oder Bronze hätten hier nur wenig ausrichten können. Die fertigen Blöcke wurden auf hölzernen Rollen zur Rampe gezerrt. Sechzig Mann zogen an den dicken Tauen aus geflochtenem Hanf, während acht

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