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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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andere nur damit beschäftigt waren, die Holzrollen, die der Steinblock hinter sich freigab, nach vorn zu schleppen, damit er wieder und immer wieder darüber rollte, bis er an der Rampe angekommen war. Wurde ein Block aus einem etwas steileren Stück der Anhöhe herausgelöst, war doppelteVorsicht geboten, denn allzu leicht geriet dort einer der Steinriesen auf dem mit Sand bedeckten Fels ins Rutschen, und hatte er erst einmal ungebremst an Fahrt gewonnen, konnte ihn keine Macht der Welt mehr aufhalten.
    Es rührte mich an, wie freundlich und aufmerksam Rechmire seinem jungen Herrscher alles zeigte und ihm jede Einzelheit erklärte. Beide sahen vom oberen Ende der Rampe hinab ins Tal und beobachteten die Steinblöcke auf ihrem Weg zum Lastschiff. Hin und wieder zeigte Rechmire in irgendeine Richtung, um Tutanchatons Aufmerksamkeit auf ein neues Ziel zu lenken. Wollte er ihm etwas erklären, musste er ganz nah an ihn herantreten, denn das unentwegte Klingen der Steinhämmer und all der andere Lärm ließen eine Unterhaltung, wie man sie sonst pflegte, gar nicht zu.
    Ich sah hinauf, wie sie einen frisch aus dem Fels gehauenen Block gerade fertig machten, um ihn von dort zur Rampe zu zerren. Aber sie bekamen den Riesen nicht in ihre Gewalt. Er kippte über eine kleine Kante und machte sich von selbst auf den Weg. Es war bereits zu spät, um mit gemeinsamen Kräften Hebel gegen seine Vorderseite zu stemmen, um Bremskeile vor seine Unterkante zu setzen oder ihn noch mit den Seilen aufzuhalten. Er rutschte ihnen einfach weg und geradewegs auf das obere Ende der Rampe zu, wo Tutanchaton und Rechmire standen und ahnungslos talwärts schauten.
    Ich schrie, so laut ich nur konnte. Immer wieder brüllte ich beider Namen hinaus, und ich sah, wie sich auch einige Aufseher die Hände an den Mund hielten, damit ihr Rufen besser gehört wurde. Aber der Lärm des Steinbruchs verschlang mitleidlos jedes noch so laut gerufene Wort, jede Warnung. Es stand auch keiner in ihrer Nähe, sodass er hätte hinlaufen und sie warnen können. Endlich kam ein Aufseher auf den rettenden Gedanken: Er hob einen Stein auf und warf ihn mit aller Kraft zur Rampe hinab, wo er gegen einen der Steinblöcke schlug und von dort Rechmire direkt vor die Füße fiel.
    «Dreh dich doch endlich um!», flehte ich leise flüsternd ihnund alle Götter an und hob schon die Hände zum Gesicht, denn ich wollte das jetzt unabwendbare Ende nicht sehen. Da drehte sich Rechmire schnell um, sah den Granitblock, der nur noch wenige Ellen von ihm und Tutanchaton entfernt war, wandte sich ruckartig dem Knaben zu und schubste ihn mit beiden Händen so heftig von sich weg, dass dieser noch im Fall das goldene Diadem mitsamt dem Nemeskopftuch verlor und zu Boden stürzte.
    Für Rechmire selbst aber gab es kein Entrinnen mehr. Nachdem er Tutanchaton gerettet hatte, wandte er sich noch einmal kurz nach oben um, wohl um zu sehen, welche Möglichkeit zur Flucht er selbst noch hatte, doch es blieb ihm nicht mehr, als die Arme schützend nach vorn zu halten, als wollte er so den Steinriesen von sich fern halten. Grausig knirschend krachte der Quader gegen den obersten Felsblock auf der Rampe und zermalmte zwischen sich und diesem den Aufseher aller Steinbrüche Seiner Majestät, Rechmire, meinen Schwiegersohn. Die Oberkante des Quaders reichte bis an seine Brust, und kaum, dass Rechmire erfasst wurde, schoss ein Schwall hellen Blutes aus seinem weit geöffneten Mund und ergoss sich vor den entsetzten Augen des Sterbenden auf die Oberfläche des Granitblocks, wie sich das Blut eines Opfertiers über einen Altar ergießt. Zuletzt sank der Kopf Rechmires langsam vornüber und tauchte in ein Meer seines eigenen Blutes ein.
    Tutanchaton war nach seinem Sturz so mit der kleinen Verletzung an seinem Knie und mit seinen Tränen beschäftigt, dass er nicht sah, welches Ende Rechmire genommen hatte. Bevor er seine Blicke auf den Ort des Schreckens richten konnte, eilten Ipu und ich zu ihm hin und begleiteten ihn zurück zu unseren Streitwagen. Ich redete die Verletzung bewusst schlimmer, als sie war, damit wir einen Grund hatten, schnellstmöglich zum Palast von Abu zurückzukehren.
     
    Welche Macht es auch immer gewesen sein mochte, die Rechmire gerichtet hatte, gnädig war sein Ende gewiss nicht gewesen,und die Grausamkeit seines Todes stand der seiner gepfählten Mittäter in nichts nach. Aber im Gegensatz zu ihnen hatte ihm das Schicksal so kurz vor seinem Tod noch die Gnade erwiesen, sich

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