Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Widerstand der Priester und dem offenen Aufruhr, zu welchem sie ohne jeden Zweifel aufgerufen hätten, im Keimerstickt worden. Die Religion Echnatons war so sehr an seine Person gebunden, dass mit seinem Tod auch der Glaube an Aton als dem einzigen Gott Ägyptens hoffnungslos verloren war. War es ein Fehler im Planen und Denken Echnatons, dass er für den Fortbestand seines Glaubens auch für die Zeit nach seinem Tod keine Vorkehrungen getroffen hatte? Oder hätte er beizeiten Tutanchaton zu einem Sohn Atons erklären sollen, um so den Fortbestand des Eingottglaubens zu sichern? Ich wusste darauf keine Antwort. Umso wichtiger erschien es mir, dass wenigstens Achet-Aton selbst als ein Mittelpunkt der Verehrung Atons und des Andenkens seines Sohnes Echnaton erhalten blieb.
Mochten die Priester des Verborgenen auch murren, wie sie wollten, die königliche Barke legte wenige Tage nach dem Opetfest in Richtung Norden ab. Ich hatte es gegenüber Meriptah vollkommen offen gelassen, wann Tutanchaton nach Waset zurückkehren würde, denn er sollte wissen, dass nur der Gute Gott selbst darüber zu bestimmen hatte, an welchem Ort in den Beiden Ländern er sich aufhielt. So blieb nur der Wesir Aper-el als der Stellvertreter Pharaos in Oberägypten zurück, nicht zuletzt, um gemeinsam mit Mutnedjemet seinen Sohn Rechmire, wenn auch in aller Bescheidenheit, so doch mit Würde, in seiner Wohnung der Ewigkeit zu bestatten.
Auf unserer Reise zurück in die Stadt Echnatons hielten wir uns nirgendwo lange auf, denn sowohl Tutanchaton als auch mich drängte es zurück in die Ruhe und die Beschaulichkeit dieser so einzigartig schönen Stadt. Nassib, mochte er auch noch so jung sein, hatten die schrecklichen Vorkommnisse der vergangenen Monate schwer belastet. Obwohl auch Achet-Aton ein Ort war, an dem der Junge viel Leid hatte erfahren müssen, hellte sich sein Blick mehr und mehr auf, als er endlich die Türme der Tempel und Paläste als diejenigen seiner Vaterstadt wieder erkannte, als unser Schiff an der Spitze der königlichen Flotte die Hafenmauer des Stadtpalastes ansteuerte und er schließlich den Boden der ihm so vertrauten Stadt betrat.
Es brauchte weder viel Lebenserfahrung noch ein allzu aufmerksames Auge, um festzustellen, dass hier etwas nicht stimmte. Im Hafen tummelten sich weit weniger Menschen als sonst. Die Straßen und Plätze waren so leer, wie zu Zeiten der Pest, und auf den Märkten sah ich kaum so viele Händler wie im entfernten Napata. Auf unserer Fahrt in den Nordpalast bemerkte ich immer wieder Häuser, deren Läden verschlossen waren und unter deren Bäumen keine Alten mehr saßen und keine Kinder mehr spielten. Der Auszug der Menschen aus Achet-Aton hatte also bereits begonnen, bevor überhaupt feststand, welche Hauptstadt sich der junge Herrscher erwählen würde. Die Beamten freilich und alle, die sonst im Dienst Pharaos standen, waren noch hier geblieben. Der Tod Echnatons und Nofretetes sowie die Rückkehr der Priester all der alten Götter hatten Tatsachen geschaffen, die wohl unumkehrbar waren.
Wenige Tage nach uns traf auch Haremhab in Achet-Aton ein. Obwohl er längst durch zahlreiche Briefe unterrichtet war, berichtete ich ihm in allen Einzelheiten, was in Waset und im Steinbruch von Abu geschehen war, und ich war erleichtert, dass mein Handeln seine uneingeschränkte Zustimmung fand.
«Ich habe nur meine Zweifel», sagte er und schlug dabei die Augen wieder so weit nach oben, dass nur noch das Weiße zu sehen war, «ob Acha und Rechmire es wirklich verdient haben, ehrenvoll bestattet zu werden.»
«Hättet Ihr von mir erwartet, dass ich das Andenken an den ältesten Freund, der mir geblieben war, und das Andenken an meinen eigenen Schwiegersohn auslöschen lasse für immer und ewig?»
«Wenn sie, wie die anderen Verbrecher auch, Maat mit Füßen getreten haben, warum sollte dann Maat mit ihnen gnädiger verfahren? Aber lassen wir lieber die Geschichten von gestern.»
Dann sah er aber mit besorgter Miene auf den Platz vor dem Stadtpalast, wo einst die Untertanen Echnatons gestanden und ihrem Herrscher zugejubelt hatten.
«Die Abkehr von Echnaton muss eine vollständige werden, Eje. Mit Halbherzigkeiten werden sich die Priester und all die anderen Menschen Ägyptens nicht mehr zufrieden geben. Die Lehre Echnatons ist gescheitert, das wisst Ihr so gut wie ich, Gottesvater.» Er drehte sich nicht einmal zu Tutanchaton und mir um, während er dies sagte.
«Ihr würdet am liebsten das
Weitere Kostenlose Bücher