Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
herausragte, und an seinem noch immer jugendlich wirkenden, muskulösen Körper erkannte ich, dass er nicht zu jenen Offizieren gehörte, die nur ihren Untergebenen körperliche Ertüchtigung abverlangten. Nur seine Augen irritierten mich wie eh und je. Am Anfang beinahe eines jeden Satzes richtete er seine grünen Augen nach oben, und die Lider zuckten aufgeregt auf und ab, ehe er seinem Gegenüber wieder ruhig in die Augen sehen konnte.
Geduldig erzählte ich ihm, dass Tutanchaton und ich bei ihr gewesen waren, als Teje ihr Leben beendete, und wie dankbar ich Aton dafür war, dass sie nicht allein und unbeachtet sterben musste.
«Und wie hat es der Prinz hingenommen?»
Ja, er hatte Prinz gesagt, und es hatte dabei kein verächtlicher Ton in seiner Stimme gelegen.
«Ihr wisst, dass er schon ein viel grausameres Ende erleben musste. So sehr ihn der Tod seiner Großmutter auch mit Schmerz erfüllt, so glaube ich dennoch, dass er ein wenig beruhigt darüber ist, dass ein Mensch auch klaglos und ohne sichtbares Leiden hinübergehen kann. Ein junger Prinz mit der Berufung wie seiner muss früh lernen, damit umzugehen.»
Ich vermied es nach dieser Andeutung bewusst, Haremhab in die Augen zu sehen, um so eine Stellungnahme herauszufordern. Er schwieg dazu.
Er sollte noch an diesem Abend Gelegenheit haben, unbeobachtet von anderen einflussreichen Männern und damit ohne Furcht vor Verrat zeigen zu können, wie er zu Tutanchaton stand. Er schien die Probe, die auf ihn zukommen würde, zu ahnen und fragte mich: «Erwartet Ihr noch andere Gäste?» Ich schüttelte den Kopf und sagte:
«Nein, Haremhab. Dieser Abend gehört nur Euch und mir. Und ich glaube, wir haben uns genug zu sagen, um ohne andere auskommen zu können.»
Wie zufällig und doch vertraulich berührte seine rechte Hand meinen Arm, und sein Lachen, das seine leuchtend weißen Zähne zeigte, verriet mir, dass auch er die Vertraulichkeit unseres Treffens guthieß.
Die Sonne war schon längst untergegangen, und wir warteten darauf, dass meine Diener die Speisen brachten, da betrat, auf meinen ausdrücklichen Befehl hin begleitet von zwei Dienern, Tutanchaton die Terrasse. Kaum dass er dessen gewahr wurde, erhob sich Haremhab ebenso wie ich, und er verneigte sich schweigend vor dem Knaben. «Mach jetzt keinen Fehler!», flehte ich in meinem Innern Nassib an und hoffte, dass er all das, was ich Ihm vorgemacht hatte, befolgen würde.
«Ihr dürft Euch aufrichten, General Haremhab», hörte ich eine selbstbewusste Knabenstimme sagen. «Ich bin Euch dankbar, dass Ihr hierher gekommen seid. Ihr dürft nach Belieben reden, wenn Ihr möchtet.»
Der General war über das Auftreten Nassibs sichtlich erstaunt. Doch sein Gesicht blieb ernst, und kein noch so flüchtiges Lächeln verriet einen Hauch von Überheblichkeit dieses mächtigen Mannes. Ich war mir sicher, dass er Tutanchaton als möglichen künftigen Herrscher ernst nahm.
«Ich bin hoch erfreut, mein Prinz, Euch trotz der gewiss großen Trauer um Eure Großmutter bei guter Gesundheit anzutreffen. Ich danke Euch, dass Ihr mir erlaubt, frei mit Euch zu reden.»
Einmal noch musste Tutanchaton die Größe eines künftigen Herrschers zeigen. Einmal noch! Und er tat es so, wie ich es ihm gesagt hatte: «Ihr dürft Euch beide setzen», sagte er mit einem freundlichen Lächeln, und ich bin mir sicher, dass dieses Lächeln vor allem ein Ausdruck seiner Freude darüber war, dass er alles richtig gemacht hatte und dass die Vorführung, und nichts anderes als eine Vorführung war sein Erscheinen, überstanden war.
Solange Nassib bei uns war, hatte er den Vorrang, wennes darum ging, den Inhalt unserer Gespräche zu bestimmen. Während des Essens unterhielten wir uns deswegen über kaum etwas anderes als über die Jagd und darüber, welche Waffen zu welchem Zweck am besten geeignet waren. Ganz im Gegensatz zu mir, der bestenfalls der Jagd auf Enten im Schilfdickicht des Flusses etwas abgewinnen konnte, war Haremhab ohne Zweifel der geeignete Gesprächspartner für Tutanchaton, denn blutige Gemetzel wie jene, die mein Freund Amenophis nur allzu gern unter Wildrindern, Löwen und allen Arten von Gazellen veranstaltet hatte, waren mir zeit meines Lebens ein Gräuel gewesen.
Als Soldat verstand sich Haremhab natürlich auf Waffen wie Pfeil und Bogen, Speere, Dolche und Beile, und so hatte er ein leichtes Spiel, Nassib bedingungslos für sich einzunehmen. Mit großer Aufmerksamkeit hörte der Junge zu, wie Haremhab
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