Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
von den unterschiedlichsten Bögen, die er besaß, sprach und dass er in seiner Jugend die Bögen selbst gefertigt hatte.
«Ein einfacher Bogen, der nur aus einem Stück Holz besteht, ist leicht herzustellen. Ihr braucht einen Ast von gutem, hartem Holz und von etwa drei Ellen Länge, den Ihr zuerst von seiner Rinde befreit. Dann müsst Ihr seine Enden zuschneiden, und mit einem Dächsel gebt Ihr ihm die gewünschte Form: in der Mitte einen runden, handlichen Griff, die Enden werden abgeflacht. Den fertig geschnitzten Bogen müsst Ihr jetzt krümmen. Dies geschieht durch Erwärmung, indem Ihr sowohl den ganzen Bogen wie die Enden über einem heißen Stab biegt. Ihr tut gut daran, die Sehne an einem Ende des Bogens dauerhaft zu befestigen und nur am anderen Ende einen Absatz anzubringen, um dort die Sehne einzuhängen. So verliert Ihr die Sehne nicht zu leicht.»
Nassib schien allergrößte Hochachtung vor dem General zu haben, und ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass schon am anderen Tag der eine oder andere Ast in meinen Gärten meinem kleinen Jäger zum Opfer fallen würde.
«Viel schwieriger», fuhr Haremhab gleich fort, «ist die Herstellungzusammengesetzter Bögen. Es ist auch nicht einfach, Euch dies hier bei Tisch zu erklären. Nur so viel: Es gibt zusammengesetzte Bögen, deren Mittelstück aus Holz besteht und an dessen Enden schmale Hörner von Antilopen aufgesetzt werden. Man nennt sie Hornbögen. Diese Bögen können nur die kräftigsten Krieger bespannen, aber mit ihnen kann man auch am weitesten schießen. Die anderen sind diejenigen, welche man aus verschiedenen Holzstücken und Hornplatten zusammensetzt. Dies sind die gebräuchlichsten Kriegsbögen.»
«Besitzt Ihr einen Hornbogen?», fragte Nassib und sah dabei den General mit großen Augen an. Haremhab nickte stumm. «Könnt Ihr ihn auch selbst bespannen?», ließ der Knabe nicht locker.
«Ja», bestätigte Haremhab, «ich gehöre zu den Männern, die einen Hornbogen besitzen und ihn auch bespannen können. Kein Mann sollte einen Hornbogen besitzen, der ihn nicht selbst bespannen kann!»
Tutanchaton schluckte ernüchtert, denn er verstand sogleich, dass er zweifellos noch nicht die Kraft besaß, einen Hornbogen zu bespannen, und es deswegen geradezu schmählich gewesen wäre, überhaupt einen zu besitzen.
«Wenn Ihr es wünscht und wenn Gottesvater Eje seine Zustimmung erteilt, verspreche ich Euch, in den nächsten Tagen mit Euch in der Wüste Strauße zu jagen. Dann könnt Ihr selbst die unterschiedlichen Bögen kennen lernen.»
Es fehlte nicht viel, und Nassib wäre Haremhab vor Freude um den Hals gefallen. Endlich auf einen Streitwagen! Endlich in die Wüste und richtiges, großes Wild jagen! Ich hätte dazu unmöglich Nein sagen können.
Ich nutzte die Vorfreude auf die Jagd dazu, Nassib höflich an die bevorstehende Bettruhe zu erinnern, denn nur ein ausgeruhter Jäger würde schließlich erfolgreich sein können.
«Und esst morgens nicht zu viel, Prinz Tutanchaton», sagte ein gut gelaunter Haremhab zum Abschied. «Denn unter alten Jägern gilt: Wer Beute machen will, muss hungrig sein.» Undzu mir gewandt, sagte er, nachdem Nassib in den Palast gegangen war: «Seinen Großvater Amenophis kann der Prinz nicht verleugnen!»
Es fiel mir äußerst schwer, hierzu keine Bemerkung fallen zu lassen, aber so ganz traute ich Haremhab trotz der Herzlichkeit, die er in den vergangenen Stunden gezeigt hatte, doch noch nicht.
Wir saßen eine Weile schweigend da und sahen in den Sternenhimmel, während meine Diener lautlos umherhuschend die Reste des Mahls wegtrugen und stattdessen Wein, getrocknete Datteln und Pistazienkerne brachten. Letztere waren ein Gastgeschenk des Generals.
«Über dem Feuer in einem Kessel geröstet und leicht gesalzen schmecken sie am besten», sagte mein Gast leise und zeigte dabei auf die Alabasterschale mit den Pistazien.
«Doch wenn Ihr noch öfter davon essen wollt, muss bald etwas geschehen. Diese Köstlichkeit kommt nämlich aus Syrien. Die Sträucher können bis zu zwanzig Ellen hoch werden, ihr Holz wird von unseren Tischlern sehr geschätzt. Die prächtigsten Pistazien wachsen an den unteren Hängen der Gebirge des Libanon.» Er trank aus seinem Becher und sah mich dabei lange über dessen Rand prüfend an.
«Es hat auch meiner Schwester zuletzt das Herz gebrochen. Ich will offen mit Euch reden. Ich kenne die letzten Briefe unserer syrischen Verbündeten. Dass Rib-Addi ermordet wurde und Zimrida
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