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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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seiner Herrschaft beraubt ist, ist mir bekannt.»
    Haremhab beugte sich etwas vor, streckte den Zeigefinger aus der ansonsten zur Faust geballten rechten Hand aus und fuhr sich mit ihm wie mit einem Messer über die Kehle.
    «Tot, Gottesvater Eje! Auch Zimrida ist tot! Jetzt wisst Ihr, wie es um unsere Verbündeten in Syrien steht. Weite Gebiete zwischen Byblos und Ugarit sind verloren. Berut steht kurz vor dem Fall. Und wenn wir nicht sehr schnell handeln, werden ihnen Mitanni und Babylon folgen.»
    Ich erinnerte mich der Worte meiner Schwester und meines Versprechens, das ich ihr auf dem Sterbebett gegeben hatte. Ich begann, in meinem Inneren unruhig zu werden. Ein Gedanke jagte den anderen, und keinen von ihnen vermochte ich zu halten, um ihn zu Ende zu denken. Es war Angst, nichts als Angst, vor der Wut meiner Tochter, die mich erwartete, wenn ich zu ihr ging und sie zur Rede stellte.
    «Der Zusammenbruch der Herrschaft Ägyptens in Syrien ist aber nicht alles, was mich zu Euch führt, Gottesvater Eje.» Während er dies sagte, waren seine Blicke wieder steil nach oben gerichtet und seine Augenlider zuckten unruhig auf und nieder. Welch schlimme Nachricht mochte jetzt noch kommen? War es nicht genug, was er mir soeben offenbart hatte?
    «Sprecht!», sagte ich leise, und gewiss war Furcht aus meiner Stimme herauszuhören.
    «Die Nachricht vom Tod Eurer Schwester ging wie ein Lauffeuer durchs Land und ließ Stimmen vernehmen, von denen Ihr hofft, dass sie längst schweigen. Immer dreister werden sie, und immer lauter und offener wenden sie sich gegen den Sonnenglauben und vor allem gegen Eure Tochter, sie lebe, sei heil und gesund! Ich weiß, dass die Große königliche Gemahlin Teje – ich möchte mich vorsichtig ausdrücken – hin und wieder diese Stimmen selbst in Achet-Aton vernommen hatte. Es könnte schnell sehr bedrohlich werden, Gottesvater Eje.»
    Er erwartete natürlich eine Antwort von mir. Doch was sollte ich ihm sagen? Sollte ich ihm sagen, dass ich es für aussichtslos hielt, mit Nofretete zu sprechen und zu versuchen, sie zur Umkehr zu bewegen, zur Rückkehr zum alten Glauben und zur Maat, was ihren Verzicht auf die Krone der Beiden Länder bedeutet hätte? Er hatte meine Gedanken erraten, denn er setzte nach und sagte: «Es ist sogar Eure Pflicht als Vater, Ihre Majestät zu warnen!»
    «Droht Ihr mir?», wurde ich jetzt gereizt, denn ich wusste nur zu genau, dass er Recht hatte, und wollte es mir doch selbst nicht zugeben.
    «Ich drohe weder Euch, Gottesvater, noch drohe ich Eurer Tochter. Ihr wisst, dass ich ein bedingungsloser Diener der Maat bin und mich immer der Krone der Beiden Länder verpflichtet fühle, gleich, wer sie trägt. Aber jetzt lastet eine schwere Bürde auf der Krone Ägyptens, und ihre Trägerin muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Nur Ihr, Ihr allein, seid imstande, den Zerfall Ägyptens und die alles vernichtende Isfet zu verhindern. Ihr müsst diesen Gang wagen, Eje!»
    Wieder versank ich in Gedanken und versuchte mir vorzustellen, welche Haltung Nofretete meinen Forderungen gegenüber einnehmen würde. Es war jetzt nicht an der Zeit, über all dies nachzudenken. Das musste in Ruhe geschehen und nicht überstürzt.
    «Gebt mir bis morgen Zeit, General. Ich werde handeln, ich verspreche es Euch, denn ich habe es bereits meiner Schwester versprochen. Aber gebt mir bis morgen Zeit.»
     
    Er hatte mich in aller Höflichkeit verlassen und schien nicht gekränkt oder darüber enttäuscht gewesen zu sein, dass ich mit ihm nicht gleich einen verbindlichen Plan abgesprochen hatte. Ich brauchte für mich noch einige Stunden, um mir alles durch den Kopf gehen zu lassen.
    Tutanchaton lag längst in seinem Bett, und sein Gesicht spiegelte einen tiefen und zufriedenen Schlaf wider. Ich sah lange in das Antlitz des schlafenden Kindes und erinnerte mich meiner eigenen Kindheit. Wie unbekümmert sie doch gewesen war bis zu jenem Tag, als ich in den Palast Amenis gezogen war, um fortan ein Leben an seiner Seite und später an der Seite seines Sohnes zu führen. Und jetzt war mein Schicksal an das Schicksal dessen Sohnes gekettet.
    Konnte ich Haremhab trauen? Ich machte mir nicht nur Sorgen darüber, wie ich meine Fahrt zu Nofretete überstehen sollte. Sie mochte mich anhören und dann ihre Schlüsse ziehen. Sie konnte meinem Rat, den ich ihr geben würde, folgen, oder sie mochte mich aus dem Palast und in die Einsamkeit Achet-Atonszurückjagen. Was konnte mir schon geschehen? An mich

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