Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
kam. Ich rief ihnen schon von weitem zu: «Geht gleich an Bord! Ich komme gleich nach!» So hatte ich es geschickt vermieden, dass Haremhab in aller Form von Tutanchaton Abschied nehmen musste. Er sollte aber auch wissen, dass ich damit nur Rücksicht auf ihn genommen hatte, und ich sagte leise: «Ich hoffe, Ihr seid nicht verstimmt darüber, dass Ihr von Prinz Tutanchaton nicht förmlich Abschied nehmen konntet!»
«Nein, nein», sagte er hastig, und weil er es mir gegenüber nicht zugeben wollte, dass er tatsächlich froh darüber war, fügte er hinzu: «Kindern ist so etwas ohnehin eher lästig, als dass es ihnen eine Freude wäre. Es ist schon gut so. Grüßt ihn von mir und sagt ihm, dass ich nach seiner Rückkehr mein Versprechen einlösen und mit ihm Strauße jagen werde.»
«Er wird sich darüber freuen, dessen bin ich mir gewiss. Nun lebt wohl, Haremhab! Ich will keine Zeit verlieren.» Während ich eine knappe, höfliche Verneigung andeutete, schlug er mit der rechten Faust gegen seine Brust, verbeugte sich tief und sagte dann: «Vergesst nicht, Gottesvater Eje: Nicht nur ich, sondern ganz Ägypten hofft, dass Ihr erfolgreich zurückkehrt!»
«Ich werde mir alle Mühe geben!»
Dann bestieg ich das Schiff.
Als wir an der Reling standen und das Treiben im Hafen beobachteten, während das Schiff ablegte und langsam auf dieFlussmitte zutrieb, überlegte ich, wann ich zum letzten Mal eine Fahrt nach Waset oder überhaupt nach dem Süden unternommen hatte. Gewiss war es eine jener Fahrten, die ich gemacht hatte, um meine Landgüter in Oberägypten zu besuchen und zu kontrollieren. Es musste mindestens drei Jahre her sein, denn so lange schon lebte ich wie ein Gefangener in Achet-Aton.
«Hisst das Segel!», befahl der Schiffskommandant mit lauter Stimme. Sogleich ergriffen die Matrosen das Fall und die mittleren Toppnanten, und bald darauf blähte der Nordwind das Segel auf und gab dem Schiff Fahrt.
Es war Mal für Mal ein unvergessliches Erlebnis, wenn man auf einem Schiff den Hafen einer Stadt verließ. War vor wenigen Augenblicken das Schiff beinahe noch ein Teil des Festlandes, denn im stillen Wasser des Hafens war man sich des schwankenden Bodens, auf dem man stand, kaum bewusst, so befand man sich inmitten des Flusses gleich darauf in einer kleinen Welt für sich. Der Lärm des Hafens verstummte mehr und mehr. Die Tempel und Paläste, die Häuser und ihre Menschen wurden immer kleiner und unbedeutender, je weiter man sich entfernte, bis nur noch die Stimme des Kommandanten zählte und man außer dem leisen Fluchen der Seeleute, dem Ächzen des Masten und dem Flattern des Segeltuchs nur noch das Plätschern des Kielwassers hörte. Wenn aus den Schilfgürteln des Ufers Schwärme von Enten aufstiegen, von den Sandbänken verängstigte Krokodile ins Wasser huschten und der eine oder andere Matrose unauffällig in den Nil spuckte, um zu sehen, ob das Schiff schon an Fahrt gewonnen hatte, dann hatte die Reise wirklich begonnen. Aber weg, weg von Achet-Aton war man erst, wenn das Schiff südlich der Stadt die erste Flussbiegung erreicht hatte und Tempel, Paläste, Häuser und ihre Gärten hinter den Schilfwäldern verschwanden, bis nichts mehr von der Sonnenstadt zu sehen war. Eine Weile noch erinnerten die Berge im Osten an das, was man zurückgelassen hatte, bis auch sie nicht mehr zu sehen waren und andere Landschaften die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich lenkten.
Zuerst musste Nassib natürlich das Schiff erkunden. Geduldig führte ihn der Kommandant vom Heck zum Bug und wieder zurück, und es gab kaum ein Tau, kaum ein Stück Holz, dessen Sinn und Zweck der Junge nicht gekannt hätte. Mir schien, als könnte neben der Jagd der Schiffsbau die zweite große Leidenschaft Tutanchatons werden, was ihn seinem Großvater noch ähnlicher machen würde. Die schönsten Stunden aber waren die, die wir allein unter einem Baldachin am Bug des Schiffs verbrachten, um schweigend den herrlichen Anblick der vorübergleitenden Natur und den kühlenden Fahrtwind zu genießen. Keiner von uns beiden wollte die Ruhe stören, und so beschränkten wir uns auf kurze Fingerzeige, wenn einer die Aufmerksamkeit des anderen auf Flusspferde, Krokodile oder auf am Ufer winkende Menschen lenken wollte.
Am dritten Tag erreichten wir Achmim, die Geburtsstadt meiner Eltern. Hier sollte sich ein entscheidender Teil meines Plans abspielen. Ich befahl, dass man die geschlossene Sänfte vorbereitete und vor das Schiff
Weitere Kostenlose Bücher