Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
Vom Netzwerk:
hält. Danach genießt man still und in sich gekehrt die Ruhe, betrachtet die Bilder der wechselnden Landschaften, die vorüberziehen, man ist zufrieden und dankbar und fühlt sich mit der Welt in völligem Einklang. Zuletzt, wenn man sich dem Ziel schon nahe glaubt, kommt innere Unruhe auf. Man hält Ausschau nach Städten und Dörfern, von denen man glaubt, dass man sie gleich wieder erkennt, um mit ihrer Hilfe die Dauer der noch bevorstehenden Fahrt abschätzen zu können. Und tatsächlich sind da das Haus mit der merkwürdig hellblau gestrichenen Wand, der Obstgarten mit dem Feigenbaum, dessen Äste auf der linken Seite schon immer so auffallend tief herabhängen. Und dort liegt noch immer das Boot, zur Hälfte mit Wasser gefüllt, halb an Land mit einem mahnend aus dem Bug emporragenden Ruder, das sich seit drei Jahren vergebens müht, den Besitzer des Bootes zu seiner Rettung zu bewegen. Die Anzeichen der baldigen Heimkehr verdichten sich mehr und mehr, bis der Geruch, der jeder Heimat zu Eigen ist, keinen Zweifel lässt: Man ist zu Hause!
    Wir hatten bereits Chmenu hinter uns gelassen, und es trennten uns nur noch zwei Flussbiegungen von Achet-Aton. Werwird uns im Hafen erwarten?, dachte ich bei mir und sah hinüber zu der Schilfinsel, auf welcher der kleine Abu sein grausiges Ende gefunden hatte. Auch mein Diener Ipu erinnerte sich des schrecklichen Ortes und verwickelte Nassib sofort in ein Gespräch über Wurfhölzer, damit dieser nicht auf die Schilfinsel, die er bestimmt wieder erkannt hätte, hinübersah, um erneut den besten Freund in seiner Erinnerung sterben zu sehen.
    Es konnten nur noch Augenblicke bis zu unserer Ankunft sein. Würde ich jetzt am Ufer stehen und auf die Ankommenden warten, meine Ohren hätten mir das Herannahen des Schiffes gewiss längst gemeldet. Doch es war unser Schiff, das mit knarrenden Riemen und plätschernden Bugwellen sein Kommen ankündigte, und so musste ich mich ganz auf meine Augen verlassen.
    «Ich sehe den Palast!», rief Nassib freudig erregt und stolz zugleich, denn er war es gewesen, der als Erster über den dichten Saum von Schilf und Niltamarisken hinweg die Zinnen des Königspalastes ausgemacht hatte. Eine geschäftige Unruhe kam auf, denn jeder Handgriff musste nun sitzen, um das Schiff mit jener prachtvollen Leichtigkeit, die dem Herrscher der Beiden Länder gebührte, in den Hafen von Achet-Aton einlaufen zu lassen. Die vierzig Ruderer saßen kerzengerade auf ihren harten Bänken, und keiner von ihnen ließ sich die Anstrengung anmerken, die ihm auf den letzten 2000   Ellen unserer Wegstrecke abverlangt worden war. Mit voller Kraft trieben sie das Schiff voran, und Schlag für Schlag spürte ich den Schub, den die Barke bekam, wenn die Ruderblätter gleichmäßig und kraftvoll durch das Wasser gezogen wurden. Der Steuermann am Heck der Barke ließ den Kommandanten, der mit kaum wahrnehmbaren Handzeichen vom Bug aus die Richtung vorgab, nicht mehr aus den Augen.
    Ich sah vor dem Stadtpalast einen großen, blütenweißen Baldachin, unter dem die Prunksänfte des Guten Gottes bereitstand, umgeben von einigen Dutzend Menschen, unter welchen ich nur Haremhab und Anchesen-paaton zu erkennen glaubte.Im Übrigen standen auf dem Weg zwischen der Anlegestelle und dem Palast dicht an dicht gedrängt gewiss dreihundert Soldaten. Haremhab hatte gut daran getan, alles, aber auch wirklich alles, für die Sicherheit Tutanchatons zu tun, denn die Zeit, die wir jetzt durchleben würden, war gefährlich. Zweifelsfrei wusste auch der General, dass schon der kleinste Funke einer Unruhe genügen konnte, um Ägypten von den Stromschnellen im Süden bis zum Delta im Norden lichterloh brennen zu lassen. Tutanchaton saß still, fast ein wenig verschüchtert auf dem kleinen Thronsessel vor dem Deckshaus, und nur seine dunklen Augen bewegten sich. Unruhig suchend huschten sie hin und her, denn Nassib wusste nur zu gut, dass der gewaltige Aufzug im Hafen von Achet-Aton nur ihm allein galt.
    «Das ist nur der Anfang, Nassib», sagte ich zu ihm und legte meine Hand auf seine linke Schulter. «Du bist jetzt unser Herrscher, und du wirst Ägypten zu seiner einstigen Größe zurückführen, denn du wirst über die Beiden Länder herrschen wie kein anderer vor dir: Du wirst kampfesmutig und siegreich sein wie Amenophis Aa-chepru-Re, der die Asiaten bezwang. Du wirst herrschen mit der Machtfülle und dem Glanz deines Großvaters Amenophis Neb-maat-Re, der Waset zum kostbarsten Schatz der Erde

Weitere Kostenlose Bücher