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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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und dem, was er mir gerade erzählt hatte.
    «Du sagtest doch, dass nur Anchesen-paaton am Leben geblieben ist. Was ist mit ihr geschehen?»
    «Sie befindet sich bei General Haremhab in Achet-Aton», sagte er so verwundert, als ob dies das Selbstverständlichste von der Welt wäre.
    «Und meine zweite Tochter Mutnedjemet?», bohrte ich weiter. Er gab mir keine Antwort, sondern sah mich unverständig an.
    «Meine Tochter Mutnedjemet ist die Gemahlin Rechmires, des Vorstehers aller Steinbrüche Ihrer Majestät», erklärte ich ihm. Aber auch dieser Hinweis half nichts.
    «Wisst Ihr, Gottesvater Eje, ich lebe schon immer in Men-nefer. Wir im Norden kennen nur wenige der hochgestelltenPersönlichkeiten aus dem Süden dem Namen nach. Umgekehrt wird es sich kaum anders verhalten.»
    Es stimmte, was er gesagt hatte. Seine Unwissenheit und die vieler seiner Landsleute im Norden waren gewiss größtenteils dem Umstand geschuldet, dass die Königsfamilie und die Großen, die sie umgaben, schon seit vielen Jahren den Süden Ägyptens nicht mehr verlassen hatten. Wer sollte also in Men-nefer schon wissen, wer Mutnedjemet und Rechmire waren?
     
    Paramessu hatte einen kleinen Trupp Soldaten vorausgeschickt, um überall auf unserem Weg die Ankunft des Guten Gottes zu verkünden, damit dieser würdig empfangen wurde. In Merwer war man außer sich vor Freude, als unsere Kompanie mit Tutanchaton in ihrer Mitte eintraf. Nachdem wir die Wüste hinter uns gelassen hatten, standen auch wieder Pferde zur Verfügung, und so war es selbstverständlich, dass Tutanchaton auf einem Streitwagen in der Palaststadt Einzug hielt. Er trug nur ein einfaches Nemes-Kopftuch, denn die Kronen Ägyptens erwarteten ihn erst in Achet-Aton. Aber auf seinen Schultern ruhte ein prächtiger Schulterkragen, und in seinem Gürtel steckte ein kostbarer Prunkdolch. Beides waren Geschenke, die mir einst mein Freund Ameni gemacht hatte.
    Die Menschen an den Straßenrändern jubelten ihrem künftigen Herrscher zu, und hier und da entdeckte Nassib in der Menge einen Jungen, mit dem er noch vor wenigen Tagen Enten gejagt oder mit Steinen nach den verhassten Krokodilen geworfen hatte.
    Wir zogen an diesem Tag nicht in den uralten Sommerpalast aus den Tagen Pharao Sesostris’, sondern ich bat Paheri, in seinem Palast übernachten zu dürfen. Eine größere Ehre konnte ihm und seiner Familie nicht zuteil werden. Doch hätte es einen besseren Weg gegeben, mich bei diesem aufrechten Mann für seinen Beistand zu bedanken und ihn für immer zum ergebensten Diener Tutanchatons zu machen?
    Noch stolzer als Paheri war jedoch dessen Sohn Userhatüber unseren Besuch. Dem Jüngling fiel es jetzt schwer, die richtigen Worte zu finden, um seinen jungen Herrscher anzusprechen, denn anders als noch vor wenigen Tagen stand jetzt allein Nassib im Mittelpunkt allen Geschehens, und jeder in seiner Nähe musste erst verinnerlichen, dass Seine Majestät nicht ohne weiteres angesprochen werden durfte. Aber mehr als seine Untertanen musste Tutanchaton selbst lernen, damit umzugehen.
    «Darf ich Euch ein Geschenk machen, Majestät?», fragte Userhat am anderen Morgen und gab sich dabei die allergrößte Mühe, seinem Herrscher, der noch vor kurzem sein kleiner Jagdbegleiter gewesen war, nicht ins Antlitz zu sehen. Ohne eine Antwort des königlichen Gastes abzuwarten, fuhr Userhat fort: «Darf ich Euch einen Welpen meiner Lieblingshündin zum Geschenk machen? Ich habe ihn Räuber genannt.»
    Er hielt Nassib einen kleinen, schwarzen und kurzhaarigen Hund entgegen, dessen spitze Ohren aufmerksam nach oben gerichtet waren und dessen langer, dünner Schweif aufgeregt hin und her wedelte.
    «Warum heißt er Räuber?», fragte Nassib, während seine Arme das kleine Tier vorsichtig und zärtlich aufnahmen.
    «Er hat mir am See schon zweimal Enten, die ich erlegt hatte, weggenommen und davongetragen. Deshalb gab ich ihm den Namen Räuber.»
    «Räuber!», wiederholte Nassib und streichelte über das glänzende Fell des Welpen. «Jetzt bist du mein Räuber. Für immer!»
    Elf Jahre lang sollte Räuber nicht mehr von der Seite seines neuen Herrn weichen.
     
    Schon früh verließen wir am anderen Morgen die Oase in Richtung Maimun, wo wir am Nachmittag des nächsten Tages eintrafen. Lange standen wir auf einer Anhöhe und sahen im gedämpften Licht des sich neigenden Tages auf die Pyramide von Pharao Snofru und auf die kleine dahinter liegende Stadt,ehe wir in das Niltal hinabstiegen und bald darauf in

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