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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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gemacht hatte. Und deine Untertanen werden dich lieben, weil du von der Weisheit und der Liebe deines Vaters Echnaton Waen-Re beseelt bist.»
    Eine unscheinbare Träne rann dabei über meine Wange, weil ich trotz aller Trauer um meine Tochter und ihre Kinder glücklich darüber war, dass ich es sein würde, der Tutanchaton das übergab, was ihm zustand: die Krone der beiden Länder.
     
    Gerade zwanzig Ellen vor der Hafenmauer gingen die vierzig Ruderblätter ein letztes Mal nieder, drangen tief ins Wasser ein und wurden von den Matrosen gegen die Fahrtrichtung gepresst, sodass die Barke in kürzester Zeit an Fahrt verlor und auf den letzten Ellen ihres Weges im eigenen Bugwasser hin und her schaukelnd der Hafenmauer entgegenglitt. Zuletzt warfen dieMatrosen die Taue an Land, damit das Schiff vorsichtig herangezogen und festgemacht werden konnte.
    Auf diesen Augenblick hatte unser Offizier Paramessu seit unserer Entdeckung in der Wüste ohne Zweifel sehnsüchtig gewartet: Mit der Linken hielt er sich an der Reling fest, die zur Faust geballte Rechte presste er gegen sein Herz, und mit der ganzen Kraft seiner Stimme, so laut wie ein Löwe, brüllte er seinem General entgegen: «Der Sohn des Aton ist erschienen, Tutanchaton Neb-chepru-Re, Herrscher von Ober- und Unterägypten, er lebe, sei heil und gesund!»
    Es dauerte nur einen winzigen Augenblick, und bis auf ein Mädchen, bis auf Anchesen-paaton, fielen ausnahmslos alle, die vor uns im Hafen standen, vor ihrem jungen Herrscher nieder.
    «Steh auf!», sagte ich leise zu Tutanchaton und führte ihn an jene Stelle der Reling, die jetzt geöffnet war und wo ein hölzerner Steg darauf wartete, dass Tutanchaton die Barke verließ und für immer sein Land in Besitz nahm. Ich hatte mich schon in der Wüste Libyens vor meinem Herrscher in den Staub geworfen, und als Mitglied der königlichen Familie genügte es, wenn ich mich künftig vor ihm verneigte. Weil es mir jetzt erlaubt war, stehen zu bleiben, rief ich für meinen Herrn laut: «Erhebt euch!»
    Ich spürte die Neugier in den Gesichtszügen der Soldaten, als wir langsam an ihnen vorbeigingen, denn sie mussten sich erst daran gewöhnen, dass ihr Herrscher und oberster Befehlshaber wenig mehr als halb so groß war wie die meisten seiner Soldaten und Untergebenen. Dennoch begannen sie, ehrfurchtsvoll und anerkennend mit ihren Schwertern gegen die Schilde zu schlagen, und je länger diese soldatische Ehrerbietung dauerte, umso mehr Gefallen schienen sie daran zu finden, denn ihr ohrenbetäubender Zuspruch nahm kein Ende mehr. Mir war, als wollten sie damit ihre unbedingte Treue und Zuneigung zum Ausdruck bringen, gerade weil ihr Herrscher so jung und weil er noch so schutzbedürftig war.
    Wir hatten die lange Reihe der Soldaten abgeschritten undden Baldachin beinahe erreicht, als es für Nassib kein Halten mehr gab. Alle Beherrschung, alle Würde des künftigen Pharao wichen den Gefühlen für die einzige, übrig gebliebene Schwester. «Ancha!», platzte es laut aus ihm heraus. «Ancha!», rief er noch einmal, als er schon in ihren Armen lag und sich beide im Kreis drehten, weil sie so schnell aufeinander zugelaufen waren. Sie brachte kein Wort heraus. Stattdessen drückte sie nur seinen Kopf fest gegen ihre Brust und streichelte zärtlich über den Rücken des kleinen Bruders. Der Lärm der Soldaten verstummte nach und nach, denn alle sahen auf die beiden, auf ein junges Mädchen, das dem Kindesalter kaum entwachsen war, und auf einen Knaben, der bald den Titel «Herr der Erde» tragen würde, und sie sahen, wie sie ihn schützend umarmte, wissend, dass aus der königlichen Familie nur sie beide es waren, die das Schicksal übrig gelassen hatte. Als Ancha mich wahrgenommen hatte, ließ sie von Tutanchaton ab und wandte sich mir zu. Jetzt verlangte sie selbst nach Geborgenheit und Schutz und fand beides auch in den Armen ihres Großvaters.
    «Niemand, kein Schicksal wird uns mehr trennen, so lange, wie ich lebe», flüsterte ich ihr leise zu. «Aber jetzt müsst ihr beide stark sein. Ganz Ägypten schaut auf euch, denn ihr seid die Hoffnung der Beiden Länder. Im großen Audienzhof des Palastes müsst ihr allen zeigen, was wahre königliche Würde ist. Dann seid ihr erst einmal für einige Zeit von allen Pflichten befreit.»
     
    Während Tutanchaton und Anchesen-paaton die Prunksänfte bestiegen und sich die Wedelträger rechts und links daneben aufstellten, fand ich endlich Gelegenheit, General Haremhab zu begrüßen.

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