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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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brauchte seine Hilfe dazu. Es war nicht nur der Schock, der mir immer noch in den Gliedern saß, ich hatte schon die zweite Nacht in Folge kaum ein Auge zugetan.
    Dann schaukelte unser Zug los. Ich ritt auf dem Maultier voran, neben mir ging Slagman, das Gewehr über der Schulter, dann folgte der Esel mit seiner blutigen Last und zum Schluss kam Petrus. Auch ohne mich zu ihm umzuwenden, wusste ich genau, dass sein Gesicht keinerlei Regung zeigte.
    Seine Gefühle waren tief in ihm verschlossen.

 
20
     
    Buschmannland nannten die Einheimischen die Region südlich des Oranje-Flusses. Zu Recht: Im Gegensatz zu der weiten, trockenen Steppenlandschaft im Großen Namaland waren die Hügel und Senken, über die wir jetzt zogen, von grünen Büschen und Dornenhecken bedeckt. Ein Buschland. Und die Heimat der Buschmänner, die sich den breiten Landstrich mit verschiedenen Nama-Stämmen teilten.
    Ich hatte von Fräulein Hülshoff viel von den Buschleuten gehört. Dass sie aussahen und lebten wie wilde Urzeitmenschen. Seitdem wir den Oranje überschritten hatten, hatte ich darauf gewartet, einmal einen zu Gesicht zu bekommen. Aber nach dem Leopardenangriff war meine Neugierde erloschen. Mit halb geschlossenen Augen dämmerte ich auf dem Rücken des Maultiers vor mich hin.
    Als wir dann tatsächlich auf Buschmänner stießen, übersah ich sie fast. Im letzten Moment fielen mir die drei nackten Gestalten auf, die am Wegrand hockten und ein paar Schlangen häuteten. Sie waren sehr klein, aufrecht stehend wären sie mir wahrscheinlich nur bis zum Ohr gegangen. Ihre Haut war überraschend hell, ihre Gesichter rund, mit spitzem Kinn. Als ich an ihnen vorüberritt, hoben sie den Kopf und lachten mich an. Es war ein freundliches Lachen, aber in meiner gedrückten Stimmung erschien es mir damals missgünstig, so als lachten sie mich aus. Ich presste meine Lippen aufeinander und schaukelte starr an ihnen vorbei.
    Meinem Gefühl nach bewegten wir uns in Schlangenlinien voran. Anstatt geradewegs von einer Hügelkuppe zur nächsten zu ziehen, änderten wir ständig unsere Richtung. Die Sonne tauchte abwechselnd zu unserer Rechten, zu unserer Linken und vor uns auf, nur in unserem Rücken stand sie nie. Slagman hatte bestimmt seine Gründe für diese umständliche Route. Ich fragte ihn nicht danach.
    Mittags machten wir an einer Wasserstelle Rast, Slagman bot Petrus und mir von seinem Proviant an. Ich akzeptierte einen Streifen Fleisch und einen Schluck Wasser, Petrus verzichtete ganz auf das Essen, woraufhin Slagman grinste. Dann ging es weiter, der Nachmittag tropfte in den Abend. Kurz bevor es dunkel wurde, erreichten wir einen kleinen Weiler, vier Häuser, die Slagman offensichtlich schon öfter besucht hatte, denn man begrüßte ihn hier wie einen alten Bekannten.
    Er erzählte der Farmersfrau, dass wir von Nama beraubt worden waren, daraufhin gab sie uns einen Stapel Pferdedecken und Kleider, die sie und ihr Mann nicht mehr benötigten. Dabei überschüttete sie uns mit einem kapholländischen Wortschwall, den ich nicht verstand.
    »Frau sagt, du sehr arm Ding. Kleider nix gut, nix passt, aber besser wie nix«, übersetzte Petrus.
    Ich starrte ihn fassungslos an. Warum benutzte er auch jetzt dieses lächerliche Kauderwelsch-Deutsch, obwohl ihn die Frau ohnehin nicht verstand und Slagman längst in dem Schuppen verschwunden war, in dem wir übernachten sollten? Während ich noch darüber nachdachte, ergoss sich eine neue Wortkaskade über uns.
    »Frau sagt, Kaffern schlimme Leut’. Schlimm wie Tier. Muss hängen an näxter Baum«, radebrechte Petrus.
    »Die Nama haben mir doch gar nichts getan«, wehrte ich erschrocken ab. »Und für den Diebstahl muss man sie bestimmt nicht gleich aufhängen.«
    Petrus übersetzte meine Worte, aber vielleicht sagte er auch etwas ganz anderes, denn die Farmersfrau nickte zustimmend und strich mir dann lächelnd über den Kopf wie einem artigen Kind.
    »Warum stellst du dich nur so entsetzlich dumm?«, murmelte ich, als wir danach ebenfalls zum Schuppen gingen. »Musst du den Weißen auch noch recht geben, wenn sie dich wie einen Idioten behandeln?« Wütend drückte ich ihm den Kleiderstapel in den Arm. »Hier. Damit du dich auch gleich wieder als Hanswurst ausstaffieren kannst.«
    Er tat, als habe er mich nicht gehört.
    Später tauchten zwei weitere Trapper auf. Slagman begrüßte sie mit Handschlag, man schien sich gut zu kennen. Die drei Männer unterhielten sich auf Kapholländisch. Nach einer

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