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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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trockene Zweige auf das Feuer schichtete. »Heute Morgen hast du noch gedacht, dass wir verloren seien. Und jetzt haben wir Feuer und Wasser und Essen.«
    Er reichte mir eine Handvoll Beeren, die er von einem der Sträucher am Wasserloch gepflückt hatte. Ich ließ sie aus meiner Hand in meinen Mund rollen. Sie schmeckten ein bisschen herb, aber sehr aromatisch, wild und saftig. Wie mein Leben in Afrika.
     
    In den frühen Morgenstunden griff uns der Leopard an. Er musste uns schon eine ganze Zeit lang beobachtet haben, unschlüssig, ob er es wirklich wagen sollte, sich unserem Feuer zu nähern. Am Ende trieb ihn sein Hunger dazu, so wie mich mein Hunger vor zwei Tagen dazu gebracht hatte, von Petrus’ Ratte zu kosten.
    Für gewöhnlich hielten sich Leoparden den Menschen fern. Sie machten einen weiten Bogen um Siedlungen und Farmen, selbst in der freien Wildbahn griffen die Raubkatzen nur an, wenn ihnen die Menschen direkt vor die Füße liefen. Aber der Leopard, der uns attackierte, war alt und schwach. Die Antilopen, Springböcke und Zebras waren viel zu schnell für ihn, er hatte keine Chance, sie zu erlegen. Und selbst wenn er es einmal schaffte, ein Tier zu töten, dann nahm es ihm prompt eine Hyäne oder ein Löwe wieder ab.
    Ich stelle mir vor, dass er vor dem Angriff lange in der Dunkelheit saß und unser Feuer beobachtete. Der Leopard sah, wie Petrus schlief und ich wachte. Er sog unseren Menschengeruch ein. Er wusste: Wenn er es schaffte, uns zu erlegen, würden ihm unsere Körper für einige Tage Nahrung bieten. Aber ein Feuer bedeutete Gefahr, auch das wusste er.
    Er zögerte.
    Dann griff er an.
     
    Wenn ich heute an diese Nacht zurückdenke, habe ich sofort wieder den stechenden, fauligen Gestank in der Nase. Den Gestank der Katze. Das war das Erste, was ich wahrnahm. Ich roch den Leoparden, dann hörte ich ihn fauchen und dann erst sah ich ihn, ein paar Meter entfernt auf dem Ast eines Baumes. Er duckte sich, bereit zum Sprung. Es war ein Bild aus einem bösen Traum.
    Ich erinnere mich nicht mehr daran, wie ich Petrus geweckt habe. Ich weiß nur, dass er plötzlich neben mir stand. Die abrupte Bewegung erschreckte das Raubtier, sodass es sein Maul aufriss und fauchte. Ich sah das Gebiss, die großen, dolchartigen Eckzähne und die nadelspitzen kleineren Zähne dazwischen.
    Ich wartete darauf, dass Petrus etwas unternahm. Dass er nach einem Ast griff, um ihn dem Untier entgegenzuschleudern. Dass er sich nach einem Stein bückte oder wenigstens die Fäuste ballte. Stattdessen tat er: nichts. Er stand nur da, stocksteif und ruhig. Das war das Schlimmste. Dass er nicht einmal versuchte, uns zu verteidigen. Zum ersten Mal seit dem Beginn unserer Reise, war auch er ratlos.
    Wir werden sterben, das begriff ich.
    Hier und jetzt.
    Die Raubkatze riss das Maul noch weiter auf, leckte sich die Lippen und lachte. Dann stemmte sie ihren gewaltigen Oberkörper nach oben, stieß die Beine von dem Ast ab und schnellte in die Luft. Es ging alles unglaublich schnell und langsam zugleich.
    Ich sah den Leoparden auf uns zufliegen. Obwohl es dunkel war, erkannte ich die rosettenförmigen Flecken auf seinem Fell, die auf dem Rücken recht groß waren und zum Bauch hin immer kleiner wurden. Ich weiß, man möchte nicht glauben, dass ich alle diese Einzelheiten im Bruchteil einer Sekunde erkennen konnte. Aber genau so war es. Ich habe zuvor noch nie einen Leoparden gesehen und hinterher niemals wieder.
    Petrus stand neben mir, der Leopard sprang auf uns zu – und dann knallte der Schuss und traf die Raubkatze zwischen den Augen. Statt auf uns zu landen und uns umzureißen, fiel das Untier direkt vor unseren Füßen zu Boden. Zwei weitere Schüsse zerfetzten seine Nase und das linke Ohr.
    »Schade um den Schädel«, sagte Slagman. »Ich hätte ihn mir zur Erinnerung gerne ausgestopft und in mein Wohnzimmer gehängt.«
    Der Bure trat aus der Dunkelheit der Steppe in den Widerschein des Feuers. Ruhig ging er auf die Bestie zu, die lang ausgestreckt am Boden lag. Er bohrte dem Leoparden die Mündung seines Gewehres in die Seite. Die Katze rührte sich nicht. Sie war tot. Slagman ließ sich neben ihr auf die Knie fallen, einen Moment wirkte es, als wollte er ihr die letzte Ehre erweisen. Er untersuchte aber nur das Fell.
    » Toe oud « , murmelte er. » Swak gehalte. Das will doch keiner mehr haben.« Er richtete sich wieder auf und sah mich missbilligend an, als ob es meine Schuld wäre, dass der Pelz nicht wertvoller war.

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