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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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war eine Tanana … Die leben in der Nähe von Fairbanks, oben in Alaska. Die Tochter des Medizinmanns. Vielleicht jagte sie mich deshalb irgendwann zum Teufel. Sie behauptete, ich wäre von bösen Geistern besessen, weil ich Fallensteller wäre und mehr Viecher jagen würde als der ganze Stamm. Die bösen Geister hätten sich mit mir verbündet, um ihnen das Fleisch und die Felle zu nehmen. Was weiß ich? Als ich sie zwei Tage später am Flussufer sah, hatte sie sich jedenfalls schon einen anderen angelacht, einen dieser arroganten Burschen, die behaupten, mit einem Pfeil auf hundert Schritten ins Schwarze treffen zu können. Als ob sie das zu besseren Liebhabern machen würde. Na ja, vielleicht stimmte es in dem Fall sogar.« Er kicherte. »Ich war damals schon mächtig aus der Übung, Feuerwasser und so, wissen Sie.«
    Hannah mochte solcherart lockere Reden nicht, musste aber unwillkürlich schmunzeln. »Und was haben Sie getan? Ihre Freundin zurückgeholt? Sich eine neue gesucht?«
    »Zurückgeholt?« Er klopfte seine Pfeife an der Reling aus. »Ich konnte froh sein, dass mich ihr Vater nicht töten ließ! Nein, ich suchte mir ein anderes Revier und lernte eine Koyukon kennen, die leben nordwestlich von Fairbanks am Yukon River. Auch sie war wunderschön, eine Squaw wie aus dem Bilderbuch, und wir wären vielleicht jetzt noch zusammen, wenn ich nicht den Fehler begangen hätte, zur gleichen Zeit mit einer …« Er stockte mitten im Satz und musterte Hannah halb milde, halb belustigt. »Aber das ist eine andere Geschichte.« Er steckte die Pfeife ein und lüftete seinen Filz. »Amos McGarrett … Auf dem Weg nach Alaska.«
    »Da will ich auch hin«, sagte Hannah. Sie nannte ebenfalls ihren Namen. »Ich will zu meinem Onkel Leopold ins Landesinnere. Leopold Stocker …«
    »Der Dutchman?« Sein Gesicht hellte sich auf. »So nennen wir ihn da oben. Dem bin ich schon begegnet. Besaß eine kleine Goldmine an einem Nebenfluss des Tanana River, nichts Großes, aber genug, um über die Runden zu kommen. Ich erinnere mich gut an ihn. Weinte irgendeiner Frau nach, wenn ich das richtig mitbekommen habe, und trank ein bisschen zu viel, kochte aber wie ein Weltmeister. So einen guten Lachseintopf wie bei ihm habe ich nicht mal bei meiner Tanana gegessen, und die war die beste Köchin des Stammes.« In seinen Augen blitzte es. »Und Sie wollen da oben bleiben? Bei Ihrem Onkel? Da passt eine Lady wie Sie gar nicht hin.«
    »Ich bin keine Lady«, erwiderte sie amüsiert, »und selbst wenn ich eine wäre, würde ich mich nicht abschrecken lassen. Ich habe über fünf Jahre in New York gewohnt und ständig davon geträumt, in den Norden zu gehen. Ich bin auf einer Farm …, einem Bauernhof, aufgewachsen und habe immer hart gearbeitet. Ich weiß, dass das Leben in der Wildnis kein Zuckerschlecken ist. Aber nur dort bin ich frei, und besser als in New York ist das Leben dort allemal. Sie sehen auch nicht wie jemand aus, den es in die Stadt zieht.«
    Seine Mundwinkel gingen nach oben. »Sieht man das? Sie haben recht, Hannah, mit der Zivilisation hatte ich es noch nie. Ich war die letzten fünf Jahre bei meinem Bruder in Portland, oben in Oregon. Meine Knochen werden langsam morsch, und ich wollte es mal mit einem anständigen Job versuchen. Mein Bruder betreibt dort ein kleines Sägewerk. War aber nichts für mich. Also hab ich meine Lederkleider wieder hervorgeholt und mich davongemacht.«
    »Still, heimlich und leise?«
    »Laut fluchend wie ein Maultiertreiber«, verbesserte er sie.
    Sie lachten beide und blickten eine Weile schweigend aufs Meer hinaus. Inzwischen hatten sie Vancouver Island erreicht und dampften die bewaldete Ostküste entlang nach Norden. Hier war der Wind stärker, die Wellen trugen Schaumkronen und schlugen heftig gegen den Schiffsrumpf. Die Maschinen kämpften mit voller Kraft gegen die Strömung aus Norden an.
    »Ist Alaska wirklich so, wie ich es mir vorstelle?«, fragte sie. »So groß und weit, dass man Tage bräuchte, um es zu durchqueren? Gibt es dort höhere Berge als den Mount Rainier? Und leben dort tatsächlich so wenige Menschen, dass man oft tagelang unterwegs ist, ohne einen einzigen zu treffen?«
    Er nickte bedächtig. »Sie sind gut informiert, mein Kind. Nur ist das alles noch mächtig untertrieben. Alaska ist so groß, dass Texas und Kalifornien zusammen reinpassen würden, und die Berge sind so hoch, dass man von ihren Gipfeln bis nach Asien und Europa blicken kann. Und Menschen …, die

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