Im Land des weiten Himmels
erwiderte und die Arme um seinen Hals legte, sich einem Gefühl hingab, das sie bisher nicht gekannt hatte.
Der Donnerschlag kam so plötzlich, dass sie erschrocken auseinanderfuhren und erst jetzt die dunklen Wolken entdeckten, die bedrohlich näher gekommen waren und wie eine schwarze Wand über den Wäldern hingen.
»Ein Gewitter!«, sagte Frank. »Wir müssen so schnell wie möglich hier weg!« Er löschte das Feuer, legte das Geschirr und die leeren Flaschen in den Picknickkorb und reichte ihn ihr. Sie hatte die Decke bereits zusammengefaltet und sich unter den Arm geklemmt. »Steig ein! Schnell!«
Sie lief zur Maschine, verstaute den Korb und die Wolldecke und streifte sich die Lederkappe und die Schutzbrille über den Kopf. Über die untere Tragfläche stieg sie ins Cockpit. Als sie sich setzte, hatte Frank bereits den Propeller angeworfen und war selbst dabei, einzusteigen. Er wendete die Maschine, stellte sie gegen den Wind und jagte sie über den sandigen Boden.
Schlingernd kam sie auf Touren, wurde immer schneller, bis sie dicht neben dem Flussufer abhob und von einer heftigen Windböe steil nach oben getragen wurde. Hannah schloss vor Schreck die Augen, öffnete sie aber gleich wieder und erlebte, wie sie in mächtigen Bocksprüngen, die dem heftigen Wind geschuldet waren, über die Bäume schaukelten und jetzt nur noch mühsam an Höhe gewannen. »Halt dich gut fest! Das wird ein harter Ritt!«, rief Frank ihr über das Motorengeräusch hinweg zu.
Hannah klammerte sich mit beiden Händen an das Cockpit. Man brauchte kein Pilot zu sein, um zu erkennen, was ihnen bevorstand. Die Gewitterwolken waren schneller nach Osten gezogen, als sie erwartet hatten, und sie würden ordentlich durchgeschüttelt werden, bevor sie das Festgelände erreichten.
Doch zuerst kam der Regen. Als hätte sich plötzlich der Himmel über ihnen geöffnet, stürzte er auf sie ein, schwere Tropfen, die ein wahres Trommelfeuer auf dem Rumpf und den Tragflächen der Jenny veranstalteten und ihnen ins Gesicht und gegen die Schutzbrille schlugen. Schon nach wenigen Minuten war Hannah bis auf die Haut durchnässt und fror so erbärmlich, dass sie am liebsten geschrien hätte. Das tat sie dann auch, aber der Regen und der dröhnende Motor waren so laut, dass niemand sie hörte. Sie hockte verkrampft in ihrem Cockpit, schaffte es nicht einmal, sich nach Frank umzudrehen, reckte nur kurz den Daumen, um sich gleich darauf wieder festzuhalten.
Ihr hochgereckter Daumen war reiner Galgenhumor, denn schon im nächsten Moment packte der Wind die Maschine, schleuderte sie nach unten und holte sie wieder herauf. Frank hatte alle Hände voll zu tun, sie auf Kurs zu halten, glich jeden der heftigen Windstöße mit dem Steuerknüppel aus und schaffte es doch kaum, die Maschine zu beruhigen.
»Mach dir keine Sorgen! Wir sind fast durch!«, rief Frank.
Hannah glaubte ihm nicht, hielt sich immer noch mit beiden Händen fest und tat gut daran, denn ein neuer Windstoß packte die Maschine und schleuderte sie nach oben, ließ Frank keine andere Wahl, als eines seiner berühmten Manöver durchzuführen und sie weit nach unten trudeln zu lassen, bis er sie abfangen konnte. Hannah drehte es den Magen um, und sie übergab sich, kein Unglück in diesem peitschenden Regen, der rasch alle Spuren beseitigte.
Bald schon ließ der Wind nach, und Frank gelang es, die Maschine zu stabilisieren. Immer noch im strömenden Regen brachte er seine Jenny nach Hause und legte vor den Zelten auf dem Festgelände eine vorbildliche Landung hin. Mehrere Kollegen halfen ihnen, die Maschine mit Seilen zu sichern und führten sie in eines der beheizten Zelte.
Vor dem bullernden Ofen wärmten sie sich auf.
»Hattest … du mir nicht … versprochen, auf solche … Stunts zu verzichten?«, fragte sie nach einer Weile, immer noch vor Kälte zitternd.
»Ka-Kaffee?«, antwortete er mit einer Gegenfrage.
10
Am nächsten Morgen wartete Hannah vergeblich auf Frank. Obwohl er versprochen hatte, sie abzuholen und der Flying Circus erst am Nachmittag begann, ließ er sich nicht blicken. Sie wartete eine halbe Stunde, tröstete sich damit, dass vielleicht die Vorbereitungen für die Flugshow oder eine Reparatur an seiner Maschine ihn aufgehalten hatten, doch als er zehn Minuten später noch immer nicht erschienen war, nahm sie ihren Koffer und ging allein.
Was soll’s, sagte sie sich, als sie die Straße hinter einem ratternden Lastwagen überquerte, ich sehe ihn sowieso nie
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