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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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ich lüge?« Sein Vorwurf ließ sie alle Zurückhaltung vergessen. »Ich bin keine Fälscherin und habe Ihnen das Geld jeden Monat gegeben, obwohl der Kredit längst abgezahlt sein müsste und die Miete viel zu hoch für dieses …, für diese Absteige ist!«
    Er lächelte schief. »Irrtum, Miss! Die Miete ist um zehn Dollar gestiegen, und die Abzahlungen für den … Kredit erhöhen sich um zehn Prozent, das wären … Lassen Sie mich rechnen …«
    »Zehn Dollar? Das ist Wucher!«
    Er stieß sich von der Wand ab, torkelte ein paar Schritte auf sie zu und griff nach ihrem linken Arm. »Ich … bin kein Unmensch, Miss. Wenn … Sie ein bisschen nett zu mir wären … Ich meine, wenn wir … uns ein wenig näherkommen könnten, dann wäre … ich vielleicht bereit, diesen Monat …, diesen Monat darauf zu verzichten.« Er erwischte ihren Arm und zog sie zu sich heran.
    Sie riss sich los und stieß ihn so heftig von sich weg, dass er mit dem Hinterkopf gegen die Wand knallte und für einen Augenblick die Orientierung verlor. Sie nutzte den Augenblick, um rasch in ihr Zimmer zu verschwinden und den Schlüssel umzudrehen. Schwer atmend blieb sie stehen.
    Behringer gab nicht auf. Er trommelte mit beiden Fäusten gegen die verschlossene Tür und rief: »Was … fällt Ihnen ein, verdammt? So können Sie nicht … mit mir umspringen! Machen Sie sofort die Tür auf!«
    In der Wohnung gegenüber begann das Baby zu weinen, und die Stimme des jungen Vaters war zu hören: »Was soll der Krach? Wissen Sie nicht, wie spät es ist? Wenn Sie nicht sofort verschwinden, rufe ich die Polizei!«
    Hannah lauschte zitternd, wie Behringer den Gang entlangtorkelte.

3
    In dieser Nacht schlief Hannah wenig. Noch in den frühen Morgenstunden glaubte sie das Poltern an der Tür und die bedrohliche Stimme ihres Vermieters zu hören, und wohin sie auch blickte, sah sie seine lüsterne Miene mit den vom Alkohol glasigen Augen vor sich. Zehn Dollar! Wenn Behringer seine Drohung wahrmachte, würde sie die Wohnung keine zwei Monate mehr halten können. Dann blieb ihr bloß das Obdachlosenasyl. Nicht nur der Kredit und die Miete machten ihr zu schaffen, sondern auch die paar Dollar, die sie der Nähfabrik für die Beerdigung ihrer Mutter schuldete.
    Auch in der Nacht zum Sonntag bekam sie kaum ein Auge zu. Obwohl sie den ganzen Tag und die halbe Nacht hart gearbeitet hatte, tagsüber in der Nähfabrik und abends in Henry’s Café, schreckte sie immer wieder aus ihrem flüchtigen Dämmerschlaf. Um kurz nach zwei, wenn ihr Wecker richtig ging, setzte sie sich auf und schwang leise fluchend ihre Beine aus dem Bett. Sie blieb minutenlang sitzen, rieb sich die Augen, trank einen Schluck Wasser und stand auf.
    Von innerer Unruhe getrieben lief sie im Zimmer auf und ab. Der volle Mond schien zum Fenster herein und breitete sein trübes Licht auf ihren Möbeln und dem Boden aus. Eine Küchenschabe krabbelte über den Boden, kein seltener Gast in dem feuchten Haus, und verschwand unter dem kalten Ofen. Solches Ungeziefer erschreckte sie schon lange nicht mehr. Als sie eingezogen waren und es noch nicht die neuen, strengen Gesetze gegeben hatte, war es viel schlimmer gewesen. Sie trat ans Fenster und blickte durch die trübe Scheibe auf das Nachbarhaus. Wie eine dunkle Wand erhob es sich auf der anderen Seite des Hofs. In einem Fenster brannte Licht, noch jemand, der vor Kummer nicht einschlafen konnte, und auf dem Dach brannte eine Kerosinlampe, wahrscheinlich Jugendliche, die heimlich Alkohol tranken und rauchten. Über dem Dach ragte das erleuchtete Woolworth Building empor.
    Vielleicht hatte Clara recht, gestand Hannah sich ein, wenn sie nicht in der Lage war, genügend Geld für eine Fahrkarte zu sparen, würde sie niemals aus New York hinauskommen. Was ihr jetzt noch wie ein Albtraum vorkam, würde zum Alltag werden, und sie würde auf dem Dach nicht mehr zu den Sternen emporblicken, sondern nur noch darüber nachdenken, wie man in dieser Stadt einigermaßen überleben konnte. So war es ihren Eltern ergangen, und so würde es auch ihr ergehen, wenn nicht ein Wunder geschah. Die einzige Möglichkeit, der Stadt zu entkommen, bestand darin, auf eine der Heiratsanzeigen zu antworten, die jeden Samstag in der New York Times und anderen Blättern abgedruckt waren. Viele Frauen waren als »Mail Order Brides« nach Westen gegangen und hatten dort einen Mann geheiratet, den sie nie zuvor gesehen hatten. Und viele waren vom Regen in die Traufe geraten, erzählte

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