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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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weg?«, fragte sie.
    »Heute Abend.«
    Hannah war, als hätte jemand ihr einen Schlag in die Magengrube versetzt. Aber sie hatte ja gewusst, worauf sie sich einließ. Er war nun mal ein Barnstormer, ein unruhiger Geist. Sie straffte sich und gab sich große Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. »In die Staaten? Nach Seattle?«
    Er grinste. Sie wusste, er konnte genau sehen, wie es ihr ging. Dann sagte er mit diesem Grinsen: »Nach Anchorage. Ich bleibe in Alaska.«
    »Du bleibst … hier?« Hannah standen die Tränen in den Augen.
    Er biss herzhaft in sein Biskuit, als hätte er gar nichts Besonderes gesagt, und rieb sich Marmelade von der Oberlippe. »Sie suchen Piloten für den Postdienst, ich hab mich als Erster beworben und unterschreibe morgen den Vertrag. Die Postreiter sind ihnen zu langsam, sollen nur noch die Wintertouren mit Hundeschlitten übernehmen. Sobald wir geschlossene Kabinen haben, fliegen wir auch im Winter.« Er kaute genüsslich. »Ich hab auf der Route zum Gold River bestanden. Wenn ich die nicht bekäme, könnten sie sich ihre Post sonst wohin stecken. Die Lady am Gold River hätte was Besseres verdient als einen Angeber wie diesen Bannister.«
    »Bannister? Der hat sich auch beworben?«
    »Wir teilen uns die Routen. Du kennst den Burschen?«
    Sie verschüttete beinahe ihren Kaffee. »Und ob ich den kenne. Er kann von Glück sagen, dass ich ihm nicht die Polizei auf den Hals gehetzt habe. So einen ekelhaften Burschen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen …«
    »Was ist passiert? Er hat dir doch nicht wehgetan?«
    »Er lud mich zu einem Flug um den Mount McKinley ein, als wir mit dem Zug dort hielten. Ich dachte erst, du würdest am Bahnhof auf mich warten, als ich die rote Maschine sah. Einen weißen Schal trug er auch. Eigentlich wollte ich gar nicht mit ihm fliegen, aber dann stieg ich doch ein, und alles lief ganz normal, bis er in der Nähe irgendeines Wasserfalls landete, und er … er …«
    Seine Stirn umwölkte sich. »Sag, dass er dich nicht …« Auch Frank wagte nicht, den Satz zu vollenden.
    »Er drängte mich gegen einen Baum und wollte …« Die Erinnerung brachte auch die Angst und die Aufregung zurück. Sie begann leise zu weinen. »Er ließ erst von mir ab, als ich ihm drohte.«
    »Dieser Dreckskerl! Und es ist nichts passiert?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wenn ich den erwische …«
    »Es ist ja nichts passiert, Frank. Lass uns von was anderem reden! Lass uns irgendwas unternehmen!«
    Frank nahm einen großen Schluck Kaffee, wie um einen bitteren Geschmack im Mund loszuwerden. »Wie wär’s, wenn du auf einen Erkundungsflug mitkommst? Die Postler wollen, dass ich die Gegend auskundschafte, damit ich mich später nicht verirre. Als ob ich mich schon einmal verirrt hätte! Sie haben mir sogar eine Karte mit den Städten und Dörfern mitgegeben, die auf meiner Route liegen. Wie ist es? Wollen wir?«
    »Jetzt?«
    »Wann denn sonst? Heute Abend muss ich weiter.«
    »Keine Loopings? Keine Stunts?«
    Er hob zwei Finger. »Versprochen.«
    Frank hatte bereits den Motor angeworfen, als sie die Maschine erreichte. Sie trug ihre pelzbesetzte Jacke und unter ihrem Rock die wollenen Strümpfe, um besser gegen die eisige Kälte und den Wind geschützt zu sein, außerdem hatte sie ihre Haare im Nacken zusammengebunden. Einen Augenblick hatte sie überlegt, ihre lederne Reithose überzustreifen, sich aber dagegen entschieden.
    »Warum brauchen Frauen nur so lange?«, empfing er sie lachend.
    Sie streifte sich die Lederkappe und die Schutzbrille über und kletterte ins Cockpit, das beinahe schon vertrauter wirkte als die Straßenbahnen und Omnibusse in New York. Nur an den Lärm, mit dem die Maschine startete, würde sie sich noch gewöhnen müssen. Es war auch ein seltsames Gefühl, in einem Flugzeug über das Wasser zu schaukeln und sich in der Mitte des Flusses in die Strömung zu drehen. »Es geht los!«, hörte sie Frank rufen. Der Motor heulte auf, und die Maschine setzte sich in Bewegung. Scheinbar federleicht sauste sie über das Wasser, holperte über die Wellen, immer schneller und in schäumende Gischt gehüllt, bis der Wind sich unter ihren Tragflächen sammelte und sie vom Fluss hob.
    Steiler als bei ihrem Ausflug zum Mount Rainier steuerte Frank die Jenny nach oben. Er jauchzte und lachte dabei wie ein kleiner Junge, der sein neues Spielzeug ausprobiert, und hatte anscheinend riesigen Spaß daran, sie zuerst nach rechts und dann in eine steile Linkskurve zu

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